reihe:cyberpunk-red_alert:deadline
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reihe:cyberpunk-red_alert:deadline [22.04.2021 08:57] – hikaru_mitena | reihe:cyberpunk-red_alert:deadline [23.04.2021 09:36] (aktuell) – [Vertonung] hikaru_mitena | ||
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+ | ==== I. ==== | ||
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+ | //04. Januar 2088 – in den Hood-Laboren – 20:24 Uhr Ortszeit…// | ||
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+ | Seit mehr als 16 Jahren hielt man ihn gefangen. Nicht mehr wert als ein beliebiges Versuchskaninchen, | ||
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+ | Es müssten noch weitere Tests gemacht werden, bevor man ihn entlassen könne. Die Ergebnisse seien noch nicht zufriedenstellend. Wöchentlich eine neue Injektion. Neue Studien. Weitere Messwerte – doch keine Freiheit. Ein ehemaliger Worker, der einen Polizisten erschossen hatte, besaß keine verfügbaren Rechte mehr. Was hätte Alex Burton auch tun sollen? Sich weigern? Man hätte ihn wieder ins Staatsgefängnis überführt, | ||
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+ | Früh erfuhr er vom Tode seines Freundes Noah Johnson. Man sagte ihm, dass dessen Nieren plötzlich versagt hätten. So richtig glauben konnte es Alex aber nicht, wenngleich er sich nicht mehr sicher war, was er überhaupt noch glauben sollte. Viele Pfleger und Assistenten des Doktors waren zwar höflich und manchmal auch zuvorkommend, | ||
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+ | Schnell verflogen diese Gedanken wieder, wenn Dr. Wayne eine weitere Sitzung im Labor anordnete. Seine Forschung glich immer mehr einem infantilen Theaterstück, | ||
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+ | „Dr. Wayne. Kommen Sie wieder, um ihre Laborratte zu quälen? Wie die ganzen Monate und Jahre zuvor auch?“ In Alex Burtons Stimme lag ein Hauch von Ironie. Er konnte sich die Antwort schon denken. | ||
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+ | „Mein lieber Alex. Ich sagte doch, dass ich noch mehr Ergebnisse brauche, um deinen Zustand genauer beurteilen zu können. Doch – und glaube mir, wenn ich es sage, - wir machen Fortschritte!“ | ||
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+ | „Bisher habe ich nicht viel davon mitbekommen. 16 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Zunächst haben sie mich zappeln lassen wie einen Fisch. Elektroschocks haben sie mir verabreicht. Danach sollte ich täglich in den Isolationsraum mich körperlich verausgaben, | ||
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+ | Als Dr. Wayne dies vernahm, trat er ganz dicht an Alex’ | ||
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+ | „Was genau meinen Sie?“, wollte Alex wissen. | ||
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+ | „Beptus! Nichts weiter… ein Virus, - modifiziert - dazu erschaffen, die Gene zu manipulieren! Es wird dir gefallen, und mir erst recht! Wenn alles klappt, dann wirst Du mir noch dankbar sein, Alex.“ | ||
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+ | „Das wage ich mal zu bezweifeln!“, | ||
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+ | „Weißt Du,“ begann Dr. Wayne wieder das Gespräch, „eigentlich weiß ich selber nicht, warum ich Dir das Glück beschere, als erster das modifizierte Beptus zu erhalten. Doch ich möchte da auf Nummer sichergehen, | ||
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+ | Ins Sichtfeld von Burton trat nun eine Spritze hervor. Sie war befüllt mit einer hellgrünen Flüssigkeit, | ||
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+ | „Ahhhh – waaas…. Was passiert… mit……MIR!? | ||
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+ | Alex spürte, wie sein gesamter Körper sich zu verändern schien. Seine Muskeln wurden kräftiger, sein Körpergewicht nahm im gleichen Maße ab. Seine Stimme verjüngte sich. Er spürte regelrecht, wie seine Haut straffer wurde. Ein Blick in Richtung des Doktors verriet, dass dieser vollends entzückt war, als sein „Beptus“ offenbar die erwartete Wirkung zeigte. Das Grinsen im Gesicht von Dr. Wayne wurde breiter als er bemerkte, dass die Augenfarbe von Alex Burton sich veränderte: | ||
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+ | „Hervorragend! Einfach phantastisch! Es genügt meinen Anforderungen! Das ist einfach phänomenal. Ich bekomme endlich meinen Ruhm. ALEX! Verstehst Du dies?! Deine Augen haben nun zwei unterschiedliche Farben. Ein grünes Auge und ein blaues Auge – ein kleiner Nebeneffekt von Beptus. Sei unbesorgt – dies würde jeder wohl in Kauf nehmen, wenn er mitbekäme, dass sein Körper sich verjüngt.“ | ||
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+ | „Was zum Teufel…. Was haben Sie mit mir gemacht, Doktor!? | ||
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+ | Doktor Wayne blieb währenddessen gelassen und ließ ein höllisches Gelächter erschallen. Ihm war anzusehen, dass er sich über das Leid seines Versuchskaninchens freute. | ||
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+ | „Aber… Alex… Du scheinst nicht zu begreifen, was mit dir gerade passiert, oder? In der Regel ist Beptus tödlich – doch durch diese kleine Modifizierung bist du um mindestens achtzehn Jahre verjüngt worden.“ | ||
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+ | „Was sagen Sie da – Doktor?! Ich habe mich…“ – Alex konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, denn eine erlösende Ohnmacht überkam den kriminellen Patienten, sodass er den weiteren Verlauf des Abends nicht mehr mitbekam. | ||
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+ | ==== II. ==== | ||
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+ | //07. Januar 2088 – in den Hood-Laboren – 08:00 Uhr Ortszeit…// | ||
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+ | Es war ein trister, grauer Morgen, wie so oft in Helligenstadt. Alex wachte auf. Es war allerdings kein reguläres Erwachen. Er wurde geweckt von leichten Schritten, die näher an sein Bett zu kommen schienen. Eine andere Person war in seinem Zimmer. Das erste menschliche Wesen, das er seit zwei Tagen zu Gesicht bekam. | ||
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+ | „Wie geht es ihnen, Mr. Burton?“, drang es an sein Ohr. Es war eine junge, sanftmütige, | ||
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+ | Die Person trat aus der Dunkelheit in Alex’ Blickfeld und lächelte ihn etwas schüchtern an. Die junge Frau mochte vielleicht Ende Zwanzig sein. Ihre dunklen, beinahe kreisrunden Augen verrieten spürbare Empathie für ihn. Bekleidet war die junge Frau mit einem weißen Laborkittel und einer dunklen Jeans, die sich in der Dunkelheit des Raumes so wenig abhob, sodass ihr Körper mit dem Hintergrund zu verschmelzen schien. | ||
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+ | „Wer sind Sie...“ fragte Alex erstaunt. „Ich kann mich nicht erinnern, sie hier jemals gesehen zu haben.“ | ||
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+ | „Das können Sie auch nicht – ich bin - sagen wir es mal so – relativ neu hier in den Laboren unterwegs.“ Sie trat näher und griff dabei in ihre Kitteltasche. Ein länglicher, | ||
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+ | „Was haben Sie mit diesem Ding da vor?!“- in Alex stimme lang ein leichter Anflug von Angst. Doch er versuchte sich so gut wie möglich zu beherrschen. Zwar war er nicht mehr gefesselt man Bett, wenngleich er sich heftig wehren würde, dann würde man ihm abermals strengere Bedingungen aufbürden, dies wusste der kleine Polizistenmörder und so ließ er alles widerstandslos über sich ergehen. Er spürte innerlich, dass er dieser jungen Frau so etwas wie Vertrauen entgegenbringen konnte. Ein weiterer Schritt – jetzt konnte er sogar ihren warmen Atem spüren. | ||
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+ | „Vertrauen Sie mir, Mr. Burton. In dieser Spritze ist ein Serum, welches sie gegen die Einflüsse einer Stasis widerstandsfähiger macht. Ich ahne schon, was DIE mit ihnen vorhaben. Ich kann es einfach nicht zulassen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ | ||
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+ | „Wer sind sie?“, erwiderte Alex neugierig. | ||
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+ | „Ein Gegner des Osaka-Konzerns; | ||
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+ | Der Osaka-Konzern war der inoffizielle Geldgeber für die Experimente, | ||
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+ | Die Spritze war gesetzt und ein kaum merkbares Gefühl von Kühle überkam seinen Körper. Dabei blickte er in die verführerischen Augen der unbekannten Frau, die ihm ein Schmunzeln schenkte. | ||
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+ | „Wie… wie ist dein Name? Warum tust du das?“, seine Worte kamen nur noch sanft über seine Lippen und eine Sinnesempfindung von moderater Trägheit breitete sich aus. | ||
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+ | „Sind wir schon Freunde, Alex? Das „Du“ habe ich dir bisher noch nicht angeboten. Doch sei unbesorgt. Ich möchte dir nur helfen. Dr. Wayne will dich nur benutzen und ich gebe dir mit diesem Serum lediglich die Chance, dem zu entfliehen.“ | ||
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+ | „Dein… Name? | ||
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+ | „Viktoria – doch auf der Straße nennt man mich „Bunny“ – Ich gehe jetzt wieder. Sie werden dich bald in einen dieser Stasistanks stecken. Doch jetzt bist du dagegen resistent. Mach es gut, Alex – wir sehen uns bestimmt bald wieder.“ | ||
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+ | Mit diesen Worten verließ die attraktive, junge Frau den Raum und ließ Alex mit all seinen Gedanken alleine in der Dunkelheit zurück. | ||
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+ | ==== III. ==== | ||
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+ | //07. Januar 2088 – in den Hood-Laboren, | ||
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+ | „Es ist alles bereit, Doktor Wayne – das Objekt… ich meine, der Patient kann nun in Stasis versetzt werden.“ Mit leichter Nervosität hielt der Assistent des Doktors einen Tablet-Computer hoch und überreichte diesen Arnold Wayne. Der wiederum musterte die ihm gezeigten Daten streng. Hier ein paar Zahlen, da ein paar Striche mit dem Datenstift gesetzt, und schon spiegelte sich ein leichtes Lächeln auf den Lippen des verrückten Wissenschaftlers: | ||
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+ | „Sie sollte sich mehr bei ihrer Arbeit konzentrieren, | ||
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+ | Mit großen Augen sah der bleich gewordene Assistent den Doktor an und nahm zögerlich den kleinen Computer wieder an sich. | ||
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+ | „Oh, entschuldigen Sie, Dr. Wayne. Ich war offensichtlich abgelenkt.“ | ||
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+ | „Herrje – Sie sind noch recht jung, von daher übersehe ich einfach mal ihre kleine Inkompetenz. Bitte führen Sie alles genauso durch, wie ich es angeordnet habe. Ich muss mich derweil um eine kleine Sache kümmern, die leider keinen Aufschub duldet. Wenn ich wieder zurückkomme, | ||
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+ | „Aber ja doch, verstanden!“, | ||
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+ | „Fein! – wir sehen uns… später.“ Mit diesen Worten verließ Dr. Wayne die Stasis-Abteilung und würdigte dem Tank einen letzten zufriedenen Blick. Alles würde nach Plan laufen. Die Präsentation im Osaka-Firmensitz und seine erfolgreiche Forschungsarbeit, | ||
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+ | //07. Januar 2088 – vor den Hood-Laboren, | ||
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+ | Viktoria war sichtlich nervös. Das hatte auch zwei triftige Gründe. Zum einen war sie keine offizielle Mitarbeiterin der Hood-Labore, | ||
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+ | Viktoria versuchte die Bilder aus dem Kopf zu verbannen und bereitete sich darauf vor, den letzten Akt ihrer kleinen Unternehmung anzugehen. Sinn und Zweck war es, die bedeutsamen Experimente von Dr. Wayne, der für den Konzern arbeitete, empfindlich zu stören. Sie kannte Alex nur zu gut und wusste, was er getan hatte. Meist sah sie ihn durch die Straßen von Old Dover Town umherstreifen – damals war Viktoria, die alle nur „Bunny“ nannten, noch ein kleines Kind und die Erinnerungen waren nur noch schemenhaft, | ||
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+ | Ein letztes Mal noch an der Zigarette gezogen und ein letzter Blick auf ihre Uhr. Sie sah sich um. Die Straße war wie leergefegt um diese Zeit. Lediglich ein paar Punks besprühten in unmittelbarer Nähe eine Häuserwand mit Graffiti. Sie wollte gerade wieder in das Gebäude der Hood-Labore gehen, als eine Hand ihre rechte Schulter ergriff und sie herumdrehte. | ||
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+ | „Entschuldigen Sie, Miss…“, drang eine sanfte Stimme in ihr Ohr, „aber Zigaretten einfach so auf den Boden zu werfen, ist leider in dieser Gegend nicht gestattet.“ | ||
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+ | Viktoria sah in die Augen eines jungen Mannes, der ungefähr Mitte Zwanzig war. Er trug eine schwarze Lederjacke mit blauen Armbinden. Diese offenbarten, | ||
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+ | „Polizei? | ||
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+ | „Genau, Miss. Police-Department Helligenstadt. Ich fürchte, ich muss ihnen eine Ordnungsstrafe verpassen“, | ||
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+ | „Oh Officer…“ – „Detektiv…“, | ||
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+ | „Wie sie meinen – Detektiv – es ist doch nur eine harmlose Zigarette. Könnten sie nicht vielleicht eine Ausnahme machen? Ich bin neu hier bei den Hood-Laboren, | ||
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+ | „Nun… gut.. Miss?“, fragte er mit einem verlegenen Unterton. | ||
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+ | „Masterson, | ||
+ | „Ich werde noch einmal von einem Ordnungsgeld absehen. Doch lassen Sie sich nicht noch einmal erwischen.“ | ||
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+ | „Kein Problem. Ich werde künftig darauf achten.“ | ||
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+ | Aus einiger Entfernung drang ein Ruf, der dem fremden Polizisten galt: | ||
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+ | „Hey Jack! Wir müssen los! Ashmoore wartet schon!“ | ||
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+ | „Bin gleich da! – Die Pflicht ruft, Miss Masterson. Ich nehme sie beim Wort, und noch viel Glück oder was auch immer in ihrem neuen Job.“ | ||
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+ | Mit diesen Worten wandte sich der Polizist, der mit dem Namen Jack gerufen wurde, um und entfernte sich von Viktoria, die erleichtert aufatmete. | ||
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+ | „Was habe ich doch für ein Glück. Hätte der Typ mich jetzt noch weiter aufgehalten, | ||
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+ | Den Kittel zurechtgezupft schlenderte Viktoria Masterson ihrem Schicksal entgegen, um einen Mann aus den Fängen des Konzerns zu befreien. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, dass der unbekannte Polizist ihr noch einmal begegnen würde, und ihre nächste Begegnung würde dann nicht so freundlich ablaufen wie die gerade vergangene. | ||
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+ | ==== IV. ==== | ||
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+ | //07. Januar 2088 – in den Hood-Laboren, | ||
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+ | Der junge Assistent des Doktors, Graham sein Name, nahm die letzten Einstellungen am Computer vor, der zur Überwachung der Stasis von Alex Burton dienten. Der kleine Kriminelle und zugleich auch Proband des Experiments lag auf einer metallenen Pritsche, die vertikal aufgerichtet war, bereit, in den übergroßen Stasistank geschoben zu werden. Alex hingegen bemühte sich währenddessen, | ||
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+ | „Graham?! – Richtig, oder?“, rief sie in den Raum und ging dabei weiter auf den jungen Assistenten zu. Der wiederum fuhr erschrocken herum und war sichtlich überrascht von der Tatsache, dass sich eine weitere Person Zugang zu diesen Räumlichkeiten verschafft hatte, die höchste Sicherheitsstufen besaßen. | ||
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+ | „Wer – wer sind sie?“, wollte er wissen. | ||
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+ | „Oh, entschuldigen Sie – ich habe noch immer nicht mein Namensschild bekommen. Ich bin Viki Masterson, die neue Assistentin von Dr. Wayne“, log Viktoria gelassen. | ||
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+ | „Er hat mir noch nie von ihnen erzählt – aber in letzter Zeit ist er so oder so sehr verschlossen mir gegenüber“, | ||
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+ | „Dann muss er es vergessen haben. Glauben Sie mir – ich bin auch etwas durch den Wind, wegen der Sache mit Alex Burton.“ | ||
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+ | „Sie kennen Alex? Öhm, ich meine... den Patienten? | ||
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+ | „Aber ja doch. Der Doktor hatte mich extra noch einmal zu ihnen geschickt. Damit ich die Daten von seinem Experiment in Verwahrung nehme. Er braucht diese für seine… ähmm... was war es noch…? | ||
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+ | „..die Präsentation von Beptus, meinen Sie?“, vollendete Graham die Gedanken von Viktoria | ||
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+ | „Ja, das ist es! Graham, du bist ein Prinz!“, erwiderte die Outsiderin im gespielten überschwänglichen Gefühlsausbruch, | ||
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+ | „Klar – kein Problem. Ich kann dir die Daten von Beptus und den Experimenten an Alex Burton hier auf diese Laserdisk speichern. Wo ist denn der Doktor gerade? | ||
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+ | „Der liebe Doktor ist gerade auf dem Weg zur Konferenz – ich sollte so schnell wie möglich nachkommen, damit er die Daten erhält. Er hätte auch das Cybernetz für die Datenübertragung verwenden können, doch er hielt diese brisanten Details für zu wichtig, als dass man diese einfach so in ein öffentliches Netz speist.“ | ||
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+ | „So…“, | ||
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+ | Viktoria nahm die Disk an sich und feixte Graham an: | ||
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+ | „Wunderbar, | ||
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+ | „Hast du heute Abend schon was vor?“, fing Graham freundlich das Flirten an. Er ahnte nicht, dass er gerade den größten Fehler seines Lebens begangen hatte. | ||
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+ | „Ich weiß nicht... zum einen bist Du nicht mein Typ...“ | ||
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+ | „Oh, warum nicht?“, gab der Assistent enttäuscht zurück, doch Viktoria fuhr unbeirrt fort: | ||
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+ | „…zum anderen habe ich schon das von dir, was ich haben wollte.“ Mit diesen Worten und ohne jegliche weitere Verzögerung versetzte die junge Outsiderin Graham einen kräftigen Nackenschlag, | ||
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+ | „Alex! Hörst du mich?!“, fragte sie energisch. Der kleine, und verjüngte Patient erwiderte im ruhigen Tonfall: „Aber klar doch – Bunny. Du hast mir das Serum nicht umsonst gespritzt. Dafür muss ich dir wohl danken.“ | ||
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+ | „Dafür bleibt wenig Zeit, Alex. Komm, wir sollten hier verschwinden. Ich denke, je mehr Zeit wir jetzt verlieren, desto schwerer wird es sein, unbemerkt abzutauchen.“ | ||
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+ | Alex hielt inne und sah sich um. Vor ihm der Stasistank nebst einigen Computeranlagen und kleinen Tischen, davor liegend der junge Graham. In seinen Augen lag ein Anflug von unkontrollierter innerlicher Wut. Verächtlich fragte er Bunny: | ||
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+ | Bunny sah Alex verwundert an. „Nein – ich habe ihn nur bewusstlos geschlagen.“ | ||
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+ | „Das reicht leider nicht, Bunny“, sagte Alex schroff und nahm sich ein Skalpell, das sich auf einen der Tische befand. | ||
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+ | Viktoria, die Alex nur Bunny nannte, sah ihn erschrocken an und war sichtlich entsetzt darüber, dass Alex anscheinend einen weiteren Mord begehen wollte. | ||
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+ | „Du willst ihn doch nicht umbringen, oder?! Alex, Nein!“ | ||
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+ | „Höre mir gut zu, Bunny. Er ist Teil dieses beschissenen Problems. Siehst Du, was sie mit mir machen wollen?! Wenn er überlebt, dann sind wir beide schneller im Gefängnis, als ich aus dieser verdammten Stadt verschwinden kann. Er darf nicht überleben!“ | ||
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+ | Noch immer starr vor Schreck sah Viktoria dabei zu, wie Alex das Skalpell nahm und in die Kehle des bewusstlosen Assistenten stach. Man hörte noch nicht einmal ein Röcheln. Blut quoll unablässig aus dessen Kehle. Sichtlich zufrieden mit seinem morbiden Werk richtete sich Alex Burton auf und sah entschlossen in die Augen seiner Begleiterin. | ||
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+ | „Tu nicht so schockiert!“, | ||
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+ | „Was… was hast du vor?“, fragte Viktoria ängstlich. | ||
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+ | „Gib mir die Disk – los, mach schon!“ | ||
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+ | In den Augen des Polizistenmörders lag eine Spur von Wahnsinn, der sich aber nicht ganz seiner Entschlossenheit überordnete. Alex blieb noch immer rational, vielleicht zu rational. Innerlich wusste Viktoria es. Alex wollte ebenso wie sie Rache nehmen, doch nicht einfach nur Rache an einem Konzern – Nein – er wollte Rache nehmen an dieser Stadt. Einfach an der Gesellschaft, | ||
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+ | Notgedrungen und ohne jegliche Waffe in der Hand überreichte sie Alex die Daten über Beptus und musste sich dabei eine Träne verkneifen. Sie versuchte noch einmal, vergebens an seine Vernunft zu appellieren: | ||
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+ | „Ich vermute mal, du willst Beptus gegen diese Stadt verwenden, oder? Alex! Bitte tu es nicht! Nicht alle Menschen haben dich hintergangen… bitte denke an….“ | ||
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+ | Sie wurde schroff unterbrochen. | ||
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+ | „..an Noah?!“, rief Alex ihr entgegen. „Noah ist tot! Ich wurde meines einzigen Freundes beraubt! Dafür wird diese Stadt und alle, die mich damals in diese Situation gebracht haben, büßen. Sie werden alle sterben – allen voran dieser John Ashmoore!“, | ||
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+ | „Wie soll es nun weitergehen? | ||
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+ | Alex ging zum Computerterminal und bediente die Tastatur. Es gab in diesem Moment viele Möglichkeiten, | ||
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+ | „Was ist mit ihm?“, wollte sie wissen. | ||
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+ | „Ich kümmere mich nicht weiter um Leichen, Bunny. Die süßen, kleinen Ratten werden sich seiner annehmen.“ | ||
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+ | „Ich sehe, du kannst programmieren? | ||
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+ | „Ich habe viel Zeit damit verbracht, hier in den Laboren, mich weiterzubilden, | ||
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+ | Es erschien so, als wenn Alex diesen wahnsinnigen Plan bereits vor langer Zeit erdacht hätte. Noch immer fassungslos und von Selbstvorwürfen geprägt sah sie Alex dabei zu, wie er dem Computer eine seiner neuen, virtuellen Visitenkarten einprogrammierte. Es war ein Totenkopf mit den verschnörkelten Worten: „Skullface lässt grüßen.“ | ||
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+ | So nannte er sich also von nun an – Skullface – die Welt sollte seinen todbringenden Namen bald erfahren, doch noch war er am Anfang seiner Unternehmung, | ||
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+ | Kalt blickten die beiden unterschiedlich farbigen Augen sie an. Alex forderte eine Entscheidung von ihr, die nicht leichtfertig zu treffen war. | ||
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+ | „Ich soll dir folgen, Alex?“, fragte sie mit Unruhe in ihrer Stimme. | ||
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+ | Bedachtsam stand der kleine Mörder auf, sah ihr energischer ins Gesicht und biss sich dabei auf die Unterlippe: „Wir sind beide nicht so verschieden. Du willst Rache und ich will Rache. Wenngleich deine Rache harmloser ausfallen würde, zugegeben…“ | ||
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+ | „Ich würde niemals die ganze Stadt verseuchen. Das ist abscheulich und zu heftig! Hätte ich das geahnt, Alex…“ | ||
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+ | Abermals wurde sie von der forschen Art ihres Gegenübers unterbrochen: | ||
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+ | „Wäre ich in diesem Tank letzten Endes verreckt. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen, Bunny. Doch wenn du nicht mit mir kommen möchtest, dann gehe mir aus dem Weg! Die Tatsache, dass du mir das Leben gerettet hattest, verschont dich von meiner Rache. Verlasse die Stadt – solange du noch kannst. Solange ich noch mit den Vorbereitungen beschäftigt bin.“ | ||
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+ | Mit diesen Worten wandte sich Alex der Labortüre zu und machte sich auf, den Raum zu verlassen. Er kehrte sich noch ein letztes Mal um und blickte in die von Tränen besudelten Augen von Bunny: | ||
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+ | „Kopf hoch, Kleines! Du schaffst das schon. Doch noch eine Kleinigkeit wäre zu klären…“ | ||
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+ | „Die da wäre?“, erwiderte Viktoria mit zitternder Stimme. | ||
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+ | „Wenn wir uns das nächste Mal treffen sollten, wenn es ein nächstes Mal geben sollte, dann nenne mich nie wieder Alex – Alex starb in diesen Laboren. Nenne mich in Zukunft nur noch Skullface!“ | ||
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+ | Die letzten Worte von Alex Burton drangen nur noch schemenhaft an die Ohren von Viktoria. Ihre Gedanken waren voller Selbstzweifel. Zweifel daran, ob sie das Richtige getan hatte. War ihre Rache zu fanatisch gewesen, sodass ihr jedes Mittel recht war, den Konzern zu zerstören? Hatte sie den Weltuntergang heraufbeschworen? | ||
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+ | ENDE | ||
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+ | * [[reihe: | ||
+ | * [[reihe: | ||
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+ | * Ursprung: | ||
+ | * Übernommen am: 22.04.2021 12:30 | ||
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+ | * Vom Autor: | ||
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reihe/cyberpunk-red_alert/deadline.1619081841.txt.gz · Zuletzt geändert: 22.04.2021 08:57 von hikaru_mitena