reihe:there_aint_no_justice:kapitel_3
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reihe:there_aint_no_justice:kapitel_3 [10.09.2020 07:32] – hikaru_mitena | reihe:there_aint_no_justice:kapitel_3 [04.11.2020 14:14] (aktuell) – hikaru_mitena | ||
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===== Kapitel 3 ===== | ===== Kapitel 3 ===== | ||
+ | Irina wurde von der Sonne geweckt, die ungehindert durch das Fenster schien. | ||
+ | Verwirrt und ein wenig schlaftrunken stellte sie fest, dass sie gestern die Jalousie nicht runtergelassen hatte und zudem nackt war. Normalerweise trug sie nachts eine ausgeleierte Jogginghose und ein altes Unterhemd von Karsten, weil sie schnell fror. | ||
+ | Dann stürmte die Erinnerung auf sie ein, sie verbarg das Gesicht in den Händen und ließ den Tränen freien Lauf. Von Scham überwältigt versuchte sie sich tiefer in die Decke zu kauern. Dieses Aas! Er spielte nur mit ihr. Er hätte sich gestern einfach nehmen können, was er wollte, sie hatte seine Erregung deutlich gespürt, aber er zog es vor, ein abartiges Spiel mit ihr zu treiben. | ||
+ | „Tanj!“, | ||
+ | So ungerecht konnte die Welt doch nicht sein! | ||
+ | Irina hatte sich immer bemüht, alles richtig zu machen. Sie hatte immer versucht, ein guter Mensch zu sein, war als ausgebildete Seelsorgerin in Krisengebiete gefahren und hatte immer wieder verschiedene Hilfsorganisationen unterstützt. Es war Teil ihrer Identität, sich für die Schwachen und Unterdrückten einzusetzen, | ||
+ | Der Verlust von Karsten hatte sie aus der Bahn geworfen. Aber Irina gab nicht einfach auf, sie hatte ihre Trauer und Wut genutzt und als Motor verwendet, bis ihre Mühe belohnt wurde und der Mörder ihres Verlobten ins Gefängnis wanderte. | ||
+ | Das war gerecht gewesen! Verdammt! Dieses Schwein hatte es verdient, wieso konnten manche Menschen ihre Fehler nicht einsehen und sich damit abfinden, dass sie im Unrecht waren? | ||
+ | „Tanj!“ Fluchte sie noch einmal, „Tanj! Tanj! Tanj!“ | ||
+ | Es gab keine Gerechtigkeit. | ||
+ | Was sollte sie jetzt tun? Mitspielen und sich an die Regeln halten? | ||
+ | Bei diesem Gedanken brodelte die Wut erneut in ihr hoch. Das Kopfkissen musste einen weiteren Zornesschrei erdulden, bevor Irina den Gedanken weiter verfolgen konnte. Alles in ihr wehrte sich dagegen, einfach brav mitzuspielen, | ||
+ | Also musste sie wohl mitspielen. | ||
+ | Ein dritter Wutschrei versickerte im Kissen. | ||
+ | Sie konnte doch nicht einfach klein beigeben! | ||
+ | Verdammt, sie war doch kein Opfer! | ||
+ | Irina rief sich alles ins Gedächtnis, | ||
+ | Was blieb? | ||
+ | Was sollte sie jetzt tun, mit dem Wissen, dass er sie vor dem Tod in ein unsichtbares Gefängnis aus Überwachung und unsinnigen Regeln sperrte, um zu sehen, wie sie langsam mürbe wurde und daran zerbrach? Wie sie es auch drehte, alles, was ihr blieb, waren ihre Überzeugungen. Sie konnte nichts weiter tun, als sich selbst treu zu bleiben, um im Augenblick des Todes mit reinem Gewissen zu sterben. Für Karsten! | ||
+ | Irina schluchzte und wischte sich mit dem Zipfel der Bettdecke die Wangen trocken. Langsam versiegten die Tränen. Sie fühlte sich hoffnungslos, | ||
+ | Was jetzt? | ||
+ | Ihr Magen knurrte. Ungeachtet der Ausweglosigkeit ihrer Lage verlangte der Körper nach Nahrung. Irina musste sich einen Moment sammeln, bevor sie es wagte, das Bett zu verlassen und nackt durch das Zimmer zum Kleiderschrank zu gehen. Sie fühlte sich beobachtet, die Worte des Auftragskillers hatten sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Der Gedanke, dass er irgendwo lauerte und sein Blick auf ihrer nackten Haut klebte, verursachte ihr Bauchschmerzen, | ||
+ | Nichts deutete mehr auf den Eindringling hin, der sich in der Wohnung breit gemacht hatte. Der Tee war abgeräumt, die Tassen gespült, die Kleidung von gestern lag ordentlich gefaltet auf einem Stuhl. Selbst die Einkäufe hatte der Auftragskiller ausgeräumt und richtig sortiert. Irina stand eine geschlagene Minute vor dem geöffneten Kühlschrank und starrte feindselig auf die gestapelten Milchtüten, | ||
+ | „Was für ein Wichser!“, | ||
+ | Für Gerechtigkeit musste man kämpfen! Die Welt war von sich aus nie gerecht. | ||
+ | Nach der Dusche kochte Irina Vanillepudding. Sie wollte die erfahrene Demütigung so schnell wie möglich verarbeiten und sich auf den Kampf vorbereiten. Als Seelsorgerin wusste sie genau, dass das nicht an einem Tag erledigt werden konnte, aber sie hatte keine Zeit zu verlieren. Sie musste sich wohl mit Auto-Suggestion und Verdrängung begnügen, wenn sie heil und ganz bleiben wollte. | ||
+ | Als sie das Wohnzimmer betrat, stand auf dem Tisch ein Saftglas, in dem eine kirschrote Rose steckte. Finster blickte Irina die Blume an, bevor sie zornig aufschrie, den Pudding schwungvoll auf den Tisch knallte und der Rose die Blüte abriss. Dabei stach sie sich in den Finger, doch der Schmerz wurde von dem glühenden Zorn einfach weggewischt, | ||
+ | Danach fühlte sie sich fast erschöpft. Diese einfache Handlung hatte ihren Zorn vorerst verrauchen lassen. So nahm sie es beinahe mit Gleichmut hin, dass der Killer sich in die Wohnung geschlichen hatte, während sie unter der Dusche stand, um die Rose im Wohnzimmer zu platzieren. Sicher war dies die Quittung für die Stinkefinger im Bad, aber jetzt hatte sich Irina entschieden, | ||
+ | Mit dem Pudding und ihrem Lieblingsfilm machte sie es sich auf dem Sofa so gemütlich, wie es ging, und versuchte dennoch für den Killer kämpferisch zu wirken. | ||
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reihe/there_aint_no_justice/kapitel_3.1599723158.txt.gz · Zuletzt geändert: 10.09.2020 07:32 von hikaru_mitena