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Niemand kann mich aufhalten

Part 1: Die goldene Dame

Ein Mädchen und ein Junge, beide Anfang 20, standen wartend in der Eingangshalle einer Nervenheilanstalt. Obwohl sie die letzten drei Tage kaum schlafen konnten, waren die kurzen Schlafphasen wohltuend. Sie hatten zwei Tage gebraucht um der Polizei deutlich zu machen, dass sie nichts mit einem Massaker in einer anderen Anstalt zu tun hatten.

Ein älterer Mann, von ungefähr 50, der Vater des Jungen stellte sich zu den beiden. Er hatte soeben mehrere Telefongespräche beendet und steckte sein Smartphone in die Tasche. „Also, Jeff ist in einem stabilen Zustand, er wird aber noch eine Weile im Krankenhaus bleiben müssen. Außerdem fangen die Angestellten langsam an Verdacht zu schöpfen. Ich weiß nicht, wie viele Indizien über ihn im Umlauf sind, aber über kurz oder lang, wird die lokale Polizei rausfinden, dass er der legendäre ‚Jeff the Killer‘ ist!“ Sagte der Professor zu seinen jungen Begleitern. Man hörte eine gewisse Missbilligung.

„Das wird ihn nicht aufhalten!“ antwortete Alex Nadezha, der Junge, seinem Vater. „Die Frage ist, ob Jeff sein Versprechen, so wenig Menschen wie möglich zu töten auch wirklich hält!“ fügte Jana Haal, das Mädchen, misstrauisch hinzu. „Darauf haben wir wohl leider keinen Einfluss. Aber Einige waren ja der Ansicht, dass man Jeff unbedingt retten müsste.“ Sagte Eugen Nadezha und sah seinen Sohn anklagend an. „Das ist nicht der Zeitpunkt, um zu diskutieren!“ verteidigte sich dieser.

„Nein, wirklich nicht.“ Bestätigte der Professor, ohne seinen Blick zu ändern. „Ach ja, noch etwas Alex, ich habe deine Mutter angerufen und ihr gesagt, sie soll sich verstecken. Es ist für niemanden mehr sicher, der unseren Namen trägt! Vielleicht finden wir aber Zeit, sie zu besuchen und ihr alles zu erklären, sie versteckt sich in einem Landhaus das einst der SCP-Foundation gehörte, keine drei Stunden von hier.“

Alex lächelte. „Großartig!“ rief er. Seine Mutter außer Gefahr zu wissen, machte alles leichter. „Gut, jetzt aber zum Plan!“ Eugen holte einen Zettel mit Notizen hervor. „Wenn ich richtig verstanden habe, benötigen wir eine Art Waffe, sich aus den Objekten sieben verschiedener Halter zusammensetzt, richtig?“ „Richtig!“ Der Junge bestätigte und der Professor sah auf das Blatt Papier und fuhr fort: „Wir benötigen Objekt Nummer 1, Nummer 2, Nummer 3, Nummer 11, Nummer 12, Nummer 15 und…“ er machte eine Pause, „…Nummer 237“ verwundert kratzte er sich am Hinterkopf.

„Korrekt!“ sagte Alex nickend. „Und wie der Name schon sagt, fangen wir mit Nummer zwei an: Dem Halter des Beginns!“ „Ist das der einzige Grund, warum du damit anfangen willst?“ fragte Jana skeptisch. „Nein!“ war die knappe Antwort. „Es gibt da einen bestimmten Grund, den erkläre ich euch, wenn ich zurück bin, aber wir haben jetzt genug Zeit verschwendet!“ Alex lächelte optimistisch, dann lief er zur Rezeption und ließ seinen Vater und Jana mit fragendem Gesichtsausdruck zurück.

„Ich möchte den Halter des Beginns sehen!“ Beim zweiten Mal fiel es ihm tatsächlich um einiges leichter. Ein kleines Lächeln war auf dem Mund des Rezeptionisten zu erkennen, fast so als wollte er sagen: „Du Narr!“ Alex ignorierte das Grinsen und folgte dem Rezeptionisten wortlos. Beide liefen –wie in der Legende- durch einen langen Gang. Einen Gang, der normalerweise zum geschlossenen Bereich der Anstalt führen sollte, es aber nicht tat. Er führte an einen Ort, der rein physisch nicht existieren dürfte.

Weder der Rezeptionist, noch Alex machten beim Gehen auch nur das geringste Geräusch; schließlich gelangten sie zu einer Tür am Ende des Korridors. ‚Es sind wirklich immer Türen‘ dachte der Junge. Der Angestellte des Sanatoriums bedeutete Alex mit einem Nicken, die Tür zu öffnen und einzutreten.

Alex schob die Tür vorsichtig auf. Nach dem Eintreten befand er sich in einem gemütlichen Raum, welcher von einem angenehmen Duft erfüllt war, einem Duft, den weder er noch sonst ein Mensch identifizieren könnte.

In der Mitte des Raumes saß eine Frau auf einem goldenen Schemel. Sie trug ein rot-goldenes Kleid und hatte blonde Haare. Ihre Arme hielt sie so, als würde sie etwas wiegen, bei genauerer Betrachtung, sah man aber, dass sie gar nichts hielt. Es war die schönste Frau, die Alex je gesehen hatte. Obwohl er sie schon einmal entfernt erblickt hatte, spürte er, wie ihm der Atem stockte. Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sah, wer den Raum betrat, ein Lächeln, das eine wohlige Wärme in Alex‘ Brust verursachte.

„Alex Nadezha!“ flüsterte sie, ihre Stimme klang wie Musik. „Da bist du ja endlich, ich habe dich erwartet!“ „Ich habe Sie gesehen!“ nuschelte ihr Gegenüber nach einer Weile. „Ich sah Sie im Objekt des Pfades. In dieser Kugel, die einst im Auge des Halters war!“ „Ich habe auch dich gesehen.“ Sagte die Frau sanft. „Und ich weiß, warum du hier bist!“ Alex wollte etwas erwidern, aber er brachte kaum einen Ton heraus, bevor sie weitersprach: „Something Worse, oder…“ Ihre wunderschönen Gesichtszüge verhärteten sich zu einer Mischung aus Furcht und Hass. „Dheunos apo Kémelom!“

„Genau!“ platzte es aus dem Jungen heraus, „Wissen Sie vielleicht mehr über ihn als der Halter des Pfades? Wissen Sie, wie der Krieger aus der Geschichte ihn besiegt hat? Wissen Sie, wie er sich als Mensch erinnert hat?“

Bei der Erwähnung des Kriegers huschte ein schmerzverzerrtes Zucken über das Gesicht der Frau. „Nein, ich weiß nicht, wie er besiegt wurde! Das weiß keiner der Halter…nur der Bezwinger selbst…“ Ein trauriger Schatten legte sich über sie. „Aber als Halter des Beginns, weiß ich tatsächlich wie seine Geschichte angefangen hat und kenne den Grund, warum er sich erinnert.“

Das war nicht die Information, die sich Alex erhofft hatte, aber besser als nichts. Bevor er Fragen konnte, sprach die Frau bereits weiter: „Du weißt sicher, dass er durch den Fluch der auf ihm lastet immer und immer wieder als Mensch wiedergeboren wird, oder?“ Alex nickte und sie fuhr fort: „Er kann sich jedoch niemals daran erinnern, wer er in einem früheren Leben war, geschweige denn, was er wirklich ist. Diese Erinnerungen werden jedoch nicht vollends gelöscht. Sie werden nur unterdrückt!“

Der Junge nickte erneut. „In seinem letzten Leben traf er ein Wesen mit telepathischen Fähigkeiten, das seine Opfer durch Musik wahnsinnig macht. Diese Kreatur bohrte sich mit ihren Melodien durch seinen Verstand und legte dabei etwas frei, das besser begraben geblieben wäre und danach…“ sie machte eine Pause, „danach folgte nichts als Finsternis.“

Alex begriff worauf die Frau hinauswollte, sie sprach jedoch unbeirrt weiter: „Er wurde von diesem Wesen getötet, doch als er wiedergeboren wurde, erinnerte sich bereits ansatzweise, wer und was er war. Er erinnerte sich an das Wesen, dass seine Erinnerung befreit hatte, an den Halter des Pfades, der ihn verflucht hatte und an den Gesichtslosen, der die Menschheit den Fluch erst gelehrt hatte.“

Der Gesichtslose. Ein Wesen das eher als Slenderman bekannt war, eines der ersten Opfer von Something Worse. Alex wollte fragen, wie der Slenderman in dieser Geschichte verankert war. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, winkte die Frau ab. Auch sie wusste es nicht. Stattdessen fuhr sie mit ihrem Bericht fort: „Seine Mentalität war eine andere, als er sein aktuelles Leben begann. Er wurde als Monster geboren! Als Monster, das einzig und allein von der ältesten und stärksten menschlichen Emotion getrieben wird!“

„Angst?“ fragte Alex nachdenklich, „Gier!“ war die knappe Antwort. Der Junge zweifelte zwar, ob das psychologisch allzu korrekt war, sah aber ein, dass das nicht der Zeitpunkt zum Diskutieren war. „Das ist ja alles schön zu wissen!“ sagte er mit einer leichten Ungeduld. „Aber die eigentliche Frage ist wie wir ihn besiegen können und laut dem Halter des Pfades brauchen wir diese Waffe, die sich aus sieben Objekten zusammensetzt, eines davon ist Ihres, also bitte, bitte überlassen sie es mir!“ Alex Stimme nahm einen flehenden Ton an.

„Normalerweise müsstest du davor erst meine Geschichte hören, eigentlich gilt das auch für jeden Halter, dessen Objekt du willst!“ sagte die Frau zynisch. „Und das halten nicht viele aus, ohne verrückt zu werden!“

„Sind diese Geschichten wirklich so unvorstellbar schlimm?“ fragte Alex skeptisch. „Eigentlich nicht. Überlege dir: Man könnte etwas für Menschen unvorstellbares sowieso nicht in menschlicher Sprache festhalten.“ Die Frau rümpfte die Nase „Aber vieles, das zur Legende der Halter gehört wurde unnötig dramatisiert. Beispielsweise, dass die 2000 Legionsobjekte, die verloren sein sollen, von einem einzelnen Menschen zusammengetragen wurden, der dann verschwand. Vollkommener Blödsinn. Kein Mensch würde 2000 Objekte ertragen, die schmerzgrenze liegt bei 20 oder 30, außerdem…“

Mit einer Handbewegung signalisierte Alex, dass das nicht zum Thema gehörte. „Entschuldige, ich schweife ab.“ Sagte die goldene Dame gefasst. „Nein, die Geschichten an sich sind nicht so schlimm. Es sind die Räume, in denen sich die Halter befinden. Diese Räume zwingen den Zuhörer, die Geschichte des Halters mit allen Sinnen zu erleben. Du würdest alles Leid einer Figur empfinden, wenn ich dir ihre Geschichte erzähle. Etwas das du durch bloßes hören einer Geschichte nie erleben könntest!“

Alex nickte, trotzdem spürte er wie seine Geduld immer mehr auf die Probe gestellt wurde. „Können Sie mir nicht Ihr Objekt geben, ohne die Geschichte zu erzählen?“ Sein flehender Ton wurde stärker. „Für den Kampf gegen Something Worse? Ich meine er ist der Ursprung aller Objekte und müsste damit der Feind aller Halter sein! Bitte geben Sie mir das Objekt des Beginns!“

„Wie denn?“ fragte die Frau mit leicht höhnischem Grinsen. „Ich bin das Objekt!“ Damit hatte der Junge nicht gerechnet. Ungläubig starrte er das ‚Objekt‘ an. „Du solltest dein Gesicht sehen!“ sagte dieses lachend. „Eigentlich hättest du das wissen müssen, Alex! Immerhin steht in der Geschichte über mich, dass ich das Objekt bin! Ich bin Halter und Objekt in einem.“  „U-u-und jetzt?“ stotterte der Junge, er fragte sich, welche Konsequenzen es für die Frau hatte, wenn man die Objekte zusammensetzen würde.

„Keine Panik, Kleiner!“ sagte der Halter mit einem verschmitzten Lächeln. „Ich werde euch begleiten!“ Das schlug dem Fass den Boden aus. Alex hatte schon beim Halter des Pfades viel Unerwartetes erlebt, aber er hatte noch nie davon gehört, dass ein Halter seinen Raum jemals verlassen hatte.

„Begleiten?“ fragte er fassungslos. „Ja begleiten! Dich, den Killer, deinen Vater und deine Freundin!“ „Wen meinen Sie mit ‚meine Freundin‘? Jana? Sie ist nicht…“ begann der Junge trotzig. „Spar dir das!“ unterbrach der Halter grinsend. „Ich sehe doch den Wunsch in deinen Augen!“ Alex verspürte in diesem Moment vor Allem den Wunsch das Thema zu wechseln: „Sie kommen also einfach so mit. Wenn wir die Objekte zu einer Waffe zusammensetzen, würde das doch Ihren Tod bedeuten, oder?“ „Ja, dass würde es.“ Sagte die Frau lächelnd. „Warum helfen Sie uns so bereitwillig?“

Brennender Hass breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Rache! Nichts würde mir mehr Freude bereiten, als das endgültige Ende von Dheunos apo Kémelom!“ „Dafür würden Sie ein Schicksal auf sich nehmen, dass vielleicht schlimmer ist, als wir beide uns vorstellen können?“ ein leichtes Entsetzen schwang in der Stimme des Jungen mit. „Wieso?“

Nach dieser Frage wurde der Hass auf dem Gesicht des Halters des Beginns zu tiefer Trauer. „Ich habe ihn geliebt, Alex! Sehr sogar! Ich sollte sein Kind gebären, doch Dheunos hat es mir genommen!“ Alex brauchte nicht zu fragen um zu verstehen, dass sie mit ‚ihn‘ den Krieger aus der Geschichte meinte, der Dheunos einst besiegte.

„Wie war sein Name?“ fragte der Junge betroffen. Eine einzelne Träne rannte über das Gesicht der Frau. „Das ist ja das traurigste daran: Ich weiß es nicht mehr. Ich habe seinen und meinen Namen schon vor langer Zeit vergessen.“ Alex spürte, wie sich tiefes, schmerzendes Mitgefühl in ihm ausbreitete, als er das hörte.

Die Dame sprach weiter: „Aber ich weiß noch einiges über die Halter und ich werde euch mit Rat und Tat zur Seite stehen um die benötigten Objekte zu finden und zu vereinen, selbst, wenn es mein Ende bedeutet!“ Sie stand von ihrem Schemel auf. „Something Worse wird sterben! Dheunos apo Kémelom wird aufhören zu existieren! Außerdem…“ sie lächelte Alex geheimnisvoll an, „wenn Dheunos wiedergeboren wurde, wurde vielleicht auch sein Bezwinger wiedergeboren…“

Der Junge war zunächst verwirrt, dann jedoch lächelte auch er. Er hatte die Geschichte noch nicht ganz nachvollzogen, doch eines war ihm klar: Er hatte soeben eine mächtige Verbündete gewonnen. Eine Verbündete gegen einen gemeinsamen Feind.


Part 2: Amoklauf

Es war ein Fehler gewesen. Das war Something Worse schnell klar geworden. Er hatte sich Macht, Erinnerung und vor Allem Informationen über den Fluch auf ihm erhofft, als er den Halter der Erinnerung, den Halter des Bewusstseins und den Halter der Gedanken aufgesucht und sich ihre Objekte einverleibt hatte. Doch er hatte mehr bekommen als er je wollte.

Er hatte nun einige Erinnerungen, an seine Existenz als Dheunos apo Kémelom in seinem Kopf: Wissen über die Beschaffenheit von Raum, Zeit und Wirklichkeit. Er erinnerte sich, wie die Legionsobjekte von zeitlosen Wesen ins All gezerrt wurden. Erinnerte sich an seine Zeit auf der Erde und an vieles davor. Er spürte wie unvorstellbare Macht seinen Körper durchströmte.

Doch weder das Wissen, noch die Macht waren für Menschen geeignet. Keines von beiden konnte er wirklich kontrollieren, zumindest nicht, solange er an einen menschlichen Körper gebunden war. Er hörte seitdem eine Stimme in seinem Kopf. Die Stimme seines alten Ichs. Die Stimme einer Mentalität, die unendlich weit über die eines Menschen hinausging. Sie flüsterte ihm zu, dass er den Fluch schleunigst brechen sollte.

Something griff in seine Tasche. Dort befand sich eine kleine, rote Kugel. Das Objekt, das ihn zum Halter des Pfades machte. Er hatte sich die Kugel nicht einverleibt. Erstens weil er fürchtete, dass die Erinnerungen und die Macht in diesem Objekt zu viel für ihn wären und zweitens weil ihm die Kugel alle anderen Halter und noch mehr zeigen konnte, wenn er nur hineinsah.

Er sah sich um. Im Moment befand er sich in einer kleinen Stadt. Wo auch sonst? Es waren immer Kleinstädte! Überall herrschte geschäftiges Treiben, als er durch die Straßen ging, an der Ecke sah er einen Polizisten stehen. Er würde ein Symbol wahrer Emotionen brauchen um den Fluch zu brechen und überlegte, welcher der Menschen dieser Stadt wohl dazu geeignet war um ihm nachzustellen und ihn anzugreifen.

‚Tu es! ‘ flüsterte die Stimme in seinem Kopf. ‚Tu es jetzt!“ „Na schön!“ flüsterte Something und zeigte mit dem Finger auf den Polizisten. Achtete man genau darauf, sah man, wie die die Luft sich zwischen der Fingerspitze und dem Beamten verzerrte, kurz darauf wurde die Hüfte des Polizisten zerfetzt. Er schrie auf und fiel rücklinks auf den Boden.

Eine kleine Menschenmenge sammelte sich um ihn. Für einen kurzen Moment wurde der Verletzte nur entsetzt angestarrt, wer schnell dachte, zog sein Handy hervor um einen Krankenwagen zu rufen. Niemand konnte sich erklären, wie die Wunde an seiner Hüfte entstanden war, geschweige denn, dass jemand mutmaßte, dass ein Junge mit tiefschwarzen Augenringen dafür verantwortlich war.

Kurz darauf jedoch sollte dieser Junge jeden Zweifel darüber ausräumen. Something Worse ging auf den Menschenknäul zu und richtete seine Handfläche auf ihn. Erneut verzerrte sich die Luft. Man sah wie ein Teil der Menge von kreisförmigen Druckwellen erfasst wurde, dieser Impuls sprengte die Menschen in Stücke.

Something grinste. Diese Aktion hatte ihre Wirkung nicht verfehlt: Augenblicklich brach Panik aus. Er feuerte noch weitere Impulse ab und tötete damit einige Menschen, oder zerstörte ganze Häuser.

‚Hör auf Seelen zu verschwenden! ‘ meldete sich die Stimme in seinem Kopf. ‚Solange der Fluch wirkt sind menschliche Seelen unerreichbar! ‘ Und mit dieser Stimme kamen wieder Dheunos‘ Erinnerungen in seinen Kopf. Die Erinnerungen eines Gottes im Gedächtnis eines Menschen. Something griff sich an die Stirn. „Sei still!“ flüsterte er und sah sich in den Straßen um.

Die Menschen kreischten und rannten so schnell sie konnten vor ihm weg. Er selbst begann ebenfalls zu rennen. Er brauchte ein Symbol wahrer Emotionen um den Fluch zu brechen. Ein Symbol das außerdem stark genug war. Er sah sich um; welcher Mensch könnte wohl Emotionen mit ausreichender Stärke erzeugen?

Es dauerte nicht lange, bis er die geeignete Kandidatin entdeckte. Es war eine junge Frau von vielleicht 25 Jahren. Sie hatte ein Baby an sich gepresst und rannte verzweifelt über den Gehsteig. Something grinste. Er sprang auf die Frau zu und landete direkt vor ihr. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als sie ihn sah, bevor sie reagieren konnte, hatte der Junge sie zu Boden gestoßen und ihr Baby aus ihren Armen gerissen.

„Na meine Süße, wie heißen wir denn?“ fragte Something mit einem sadistischen Grinsen. Die Frau starrte ängstlich in die Augenringe des Jungen. „Julia…!“ sagte sie mit zitternder Stimme. „Und dein Baby?“ sein Grinsen wurde noch boshafter. „Anne.“ Furchtbare Angst lag in Julias Stimme. „Süß ist sie…“ Something sah das kreischende kleine Mädchen an. „Also Julia…“ flüsterte er ihr zu. „Wie würde es dir gefallen, wenn ich Annes Kehle durchbeißen würde?“ Die Zähne des Jungen näherten sich an den Hals des Kleinkindes.

„Nein!“ schrie Julia panisch. „Nein, bitte! Von mir aus können Sie mit mir machen, was sie wollen, aber bitte, bitte tun Sie ihr nichts!“ flehte sie und Something sah, wie ihr die Tränen übers Gesicht rannten. Darauf hatte er nur gewartet. Er beugte sich zu Julia hinunter und leckte ihr langsam die Tränen vom Gesicht. Diese Tränen waren mit Sicherheit ein Symbol wahrer Emotionen.

Julia drehte den Kopf zu Seite und übergab sich, während Something die Augen schloss. Es gab sicherlich keine stärkere emotionale Bindung in der menschlichen Welt als die einer Mutter zu ihrem  Kind. Quälend langsam verstrichen die Minuten ehe der Junge mit den Augenringen einsah, dass sich nichts verändert hatte. Der Fluch blieb bestehen. Wie schon so oft, spürte er einen heftigen Zorn in sich,

‚Du musst die Emotionen verstärken! ‘ sagte die Stimme in seinem Kopf. ‚Töte das Kind! ‘ „Nein!“ flüsterte Something kaum hörbar. Tief in seinem menschlichen Verstand spürte er eine letzte Hemmschwelle. Eine Blockade die das Verletzen von Kleinkindern verbot. Er hatte geblufft als er drohte, Anne zu töten. Er sah sich das schreiende Baby in seinen Armen an und warf es seiner Mutter zu.

Julia reagierte vollkommen überrascht und fing ihre Tochter gerade so auf. Der Junge drehte sich um und entfernte sich von seinen Opfern. Something hasste sich in diesem Moment. Hasste sich für seine Menschlichkeit, schämte sich dafür, dass er Gnade gezeigt hatte. Ein Wutschrei entfuhr ihm. Er drehte sich blitzschnell um, richtete die Handfläche auf Julia und Anne und ein starker Impuls zerfetzte Mutter und Kind.

‚Gut gemacht! ‘ wieder meldete sich Dheunos‘ Stimme. ‚Überwinde deine menschlichen Hemmungen. Du hast vielleicht den Fluch nicht gebrochen, aber zumindest war das ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn das vielleicht verschwendete Seelen waren. ‘ Mit diesem Lob hatte Something nicht gerechnet. Trotzdem passte ihm die Stimme nicht. „SEI ENDLICH STILL!“ schrie er.

Wahllos feuerte er Druckimpulse auf seine Umgebung ab. Erst nach mehreren Minuten beruhigte er sich. Als er sich umsah, bemerkte er, dass er soeben die halbe Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte. Das waren vielleicht unzählige verschwendete Seelen, doch zumindest konnte er sich ein bisschen abreagieren.

Ein seltsames Gefühl ergriff ihn. Er wurde von einem Schauder durchzuckt, der scheinbar vom Objekt in seiner Tasche kam. Er holte die rote Kugel hervor. Sie blinkte wie ein Alarmsignal, offenbar wollte sie ihm etwas sagen. Der Junge hielt die Kugel vor sein rechtes Auge und sah hinein.

Sie zeigte eine Frau in rot-goldenem Kleid, den Halter des Beginns, wie er eine Anstalt verließ. Als ob das nicht genug wäre, lief ein junger Mann neben ihr her. Jemand den Something nur zu gut kannte. Alex Nadezha.

„Das gibt’s nicht!“ Somethings Kinnlade klappte nach unten. „Wie hat er das überlebt?“ Die Antwort schoss ihm sofort durch den Kopf: Der Halter des Pfades. Natürlich. Und mit Sicherheit hatte er Alex auch von der Waffe erzählt, die aus den Objekten der Halter bestand. Mit dieser Waffe könnte die Menschheit tatsächlich eine ernsthafte Bedrohung für ihn, Something Worse, werden. Was sollte er jetzt tun, die benötigten Objekte vor Alex holen? Nein! Mehr Objekte würde er nicht ertragen.

Es gab wohl nur den direkten Weg: Alex Nadezha musste sterben! Und nicht nur er! Auch diejenigen, die mit ihm aus dem SCP-Hauptquartier entkommen waren. ‚Nein! ‘ zu seinem Leidwesen meldete sich Dheunos‘ Stimme zurück. ‚Du hast heute schon schmerzhaft viele Seelen verschwendet! ‘ „Na und?“ Ein Teil des Jungen schämte sich dafür, Selbstgespräche zu führen. „Da kommt es auf ein paar mehr auch nicht mehr an!“

‚Oh doch! Sieh dir an was Alex überlebt hat! Den Angriff auf das Hauptquartier und den Kontakt mit zwei Haltern! Seine Seele muss sehr stark sein! Eine Seele wie seine findet man nur bei wenigen Menschen! Lass ihn weitere Halter aufsuchen. Spätestens beim Halter des Widersachers wird er versagen! Seine Seele wird dann in das entsprechende Objekt gesogen werden und gehört somit mir. Und das ohne den Fluch zu brechen! ‘

„Na schön!“ das hatte Something tatsächlich überzeugt. „Ich lasse ihn leben, aber ich werde ihn sicher nicht einfach so weitermachen lassen!“ sagte der Junge energisch. „Ich werde ihm ein Zeichen senden!“

Er wandte sich an die rote Kugel: „Zeig mir den Weg!“ Und die Kugel zeigte ihm Bilder, wie er sein Ziel erreichen würde.


Epilog: Verlust

„Was dagegen, wenn ich Sie Laura nenne?“ fragte Professor Nadezha. Er saß gemeinsam mit Alex, Jana und dem Halter des Beginns im schwarzen Jeep. „Wieso Laura?“ fragte der Halter mit hochgezogener Augenbraue. „Sie erinnern mich an eine alte Studienkollegin, zumindest vom Charakter her.“ Eugen lächelte. „Na schön, irgendeinen Namen müsst ihr mir wohl geben!“

Alex und sein Vater freuten sich. Der Professor hatte seine Frau, Katja Nadezha, eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen. Liebend gerne würde er sie noch einmal in die Arme schließen. Der Kampf gegen Something Worse könnte schließlich ihrer aller Leben kosten.

Jana tippte derweil auf ihrem Smartphone herum. „Hey, seht mal!“ rief sie. „Hier in der Nähe gab es vor zwei Stunden ein Massaker! Eine halbe Kleinstadt wurde zerstört!“ „Was?“ antwortete Alex alarmiert, „zeig mal her!“ Sie gab ihm ihr Handy mit den Worten: „Das klingt ziemlich nach ihm, findet ihr nicht?“ Auch Eugen hatte ein ungutes Gefühl: „Das ist ziemlich nahe an diesem Ort.“ Er beschleunigte den Jeep und fuhr in ein kleines Dorf und parkte in der Einfahrt eines unscheinbaren Hauses.

Dieses Haus hatte der SCP-Foundation eine Zeit als Versteck für die verschiedensten Dinge gedient. Als das Auto zum Stillstand gekommen war, stieg Alex aus und ging eiligen Schrittes zur Eingangstür. Entsetzt stellte er fest, dass das Schloss aufgebrochen war. Ihm schwante Furchtbares, als er ins Haus rannte. Sein Vater rannte hinterher und auch Jana und Laura kamen nach.

Alex stieß einen Schrei aus und fiel auf die Knie. Auch Eugen bekam einen schweren Schock, als er den Raum betrat. Katja Nadezha lag in ihrem eigenen Blut auf dem Boden. Sie atmete nicht und es gab nicht die geringsten Lebenszeichen. Mit ihrem Blut war etwas an die Wand geschrieben worden: ‚Versucht es erst gar nicht! ‘

„Katja…“ wisperte der Professor. Er kniete sich vor ihre Leiche und hielt ihre Hand. Er konnte seinen Blick nicht lösen. Jana setzte sich neben Alex auf den Boden. Sie wusste, wie er sich fühlte. Es waren nur wenige Tage vergangen doch es kam ihr vor wie Jahre seit ihr Mentor, der wie ein Vater für sie war, von wildgewordenen Monstern zerfleischt wurde. Olaf Larssons Tod schmerzte sie furchtbar und Alex dürfte im Moment dasselbe empfinden.

Sie rückte an ihn heran und drückte ihn an sich, beide hofften, dass sie den Schmerz gegenseitig lindern könnten. Ihnen wurde ein wichtiger Mensch genommen. Von einem Wesen, dass nur von Gier getrieben wurde.

„Wie hat er dieses Haus gefunden?“ fragte Jana. „Die verfluchte Kugel!“ war die geflüsterte Antwort.

Eine Weile hielten sie sich einfach gegenseitig. Dann löste sich Alex aus der Umarmung und schlug auf den Boden. „Dheunos apo Kémelom…!“ Er stand auf. „Wir werden die Halter zusammentragen und sie zu dieser Waffe zusammensetzen!“ Unbändige Wut, lodernder Hass erfüllte ihn. „Ich schwöre, Something Worse wird sterben! Und wenn es meine Seele kostet!“ schrie er. Währenddessen zeichnete sich ein leichtes Lächeln auf Lauras Gesicht ab.

Alex sah nach oben: „ICH SCHWÖRE, DAFÜR WIRST DU STERBEN!“ Er sprach nicht weiter. An der Decke befand sich ein weiterer Schriftzug, ebenfalls mit Blut geschrieben. An der Decke stand etwas, das gleichzeitig Herausforderung und Kriegserklärung war. Etwas, das Alex Nadezha und Something Worse für alle Zeit zu Todfeinden machte:

‚Niemand kann mich aufhalten! ‘


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