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Vergo und Algesio

Übersicht Vergo

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Stille. Nur das leichte Plätschern von Regen und das Geräusch meiner Schritte, die durch die Ecken der Straßen hallen. Ich mag diese Stadt. Sie ist so schön ruhig. Ich hatte seit sehr vielen Jahren keine Ruhe mehr. Dave hatte mich lange auf Trab gehalten, was das anging. Ich kann mich noch erinnern, wie ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Er war so allein, in diesen großen, weißen Raum. Keine Farben, keine Erinnerungen, kein Leben. Er wirkte so glücklich, als ich ihn aufnahm. Ich habe bis jetzt, wie jeder Mensch, viele Fehler gemacht, aber Dave war sicher nicht so einer. Er war für mich wie ein kleiner Bruder. Ich muss Lächeln, auch wenn er augenscheinlich ein Jahr älter als ich war.

Ich blicke mich um. Ich hatte einen Brief erhalten. Ich will den Inhalt nicht genau ausführen, der Brief enthielt einen Großteil von Fäkalausdrücken. Im Grunde war es ein Erpresserbrief. Schon komisch, man versucht tatsächlich MICH zu erpressen. Ich weiß nicht, ob das süß ist oder ob ich Angst haben sollte. Es gibt nur eine Sache, die mich stört… Sie haben Dave.

Dave ist kein schwacher Junge. Ich verstehe also nicht ganz, wie sie ihn zum Mitgehen „bewegt“ haben. Er ist außerdem ziemlich schnell. Entweder waren seine Entführer nur extrem viele oder ich habe ein größeres Problem. Na ja, der Brief teilte mir mit, dass ich verf* Hackfresse von einen Mörder (um den Brief zu zitieren) mich an den Hafen begeben sollte. Unmaskiert versteht sich.

Es ist selbstverständlich, dass meine Erpresser auch mich schnappen wollen. Wahrscheinlich gefällt es ihnen nicht, was ich mit den ganzen Mördern mache. Schon okay, es ist gut so. Leute sind unterschiedlicher Ansicht. Das ist, wie die Welt funktioniert. Ich mache mir nur um Dave Sorgen.

Ich bleibe stehen. Schaue aufs Meer hinaus, genieße die Salzluft. Meersalz auf frisch gebratenem Fleisch und dazu Blut, verfeinert mit Knochenmark. Hört sich doch lecker an…

„Hey du?“, langsam drehe ich mich um. Vor mir steht auf einmal ein Mann. Vielleicht Anfang dreißig. Er sieht normal aus, „Geh Heim spielen. Kinder wie du sollten nicht so spät auf sein.“

Ich lege meinen Kopf schief und starre ihn an.

„Hey Vic? Komm jetzt!“, höre ich eine andere Stimme sagen, „Dieser Mörder muss hier irgendwo rumlau-“, der andere Mann, etwas jünger als der vorherige, schaut mich an, „VERSCHWINDE, DU DRECKIGES GÖR!“

Ich lächle. „Wie sie wünschen.“, sage ich höflich und schlendere in Richtung Innenstadt. Aber der eine Mann hält mich fest.

„HALT! Was hast du gehört?“, fragt er bedrohlich. Der Mann, der Victor heißt, starrt mich mitleidig an.

„Er ist noch ein Kind Dimitrij. Mach dir keine Sorgen…“, versucht er den anderen Mann zu beruhigen.

„Dieser Vergo hat auch einfach ein „Kind“ zum Mörder gemacht. Unterschätze Kinder nicht, Vic.“

„Entschuldigen Sie?“, werfe ich ein. Der Handdruck des Mannes war extrem fest, aber da muss ich jetzt halt durch, „Ich unterbreche Ihre Unterhaltung nur äußerst ungern, aber haben sie überhaupt eine Ahnung, wie Vergo aussieht?“

„Nein.“, grummelt Dimitrij, „Aber es fällt schon auf, wenn ein erwachsener Mann mit roter Maske irgendwelche Leute auf der Straße ermordet.“

Ich spitze die Ohren. Ein erwachsener Mann mit roter Maske ermordet Leute auf der Straße? Die Beschreibung passt nicht sonderlich zu mir.

Ich merke plötzlich, wie ich weggezogen werde.

„Du kommst jetzt mit uns, Kleiner.“, bringt Dimitrij in einen strengen Ton heraus.

Ich werde in ein Auto geschubst. Victor setzt sich neben mich und hält meine Hand fest. Dann mustert er mich, mustert meine Augen. Meine Haut ist extrem bleich. Manchmal wirken meine grünen Augen für mich etwas fehl am Platz, aber Dave meinte, dass sie immer etwas Interessantes hätten. Ich schaue aus dem Fenster, die Fahrt dauert nicht sehr lange an…

Wir bleiben an einer Lagerhalle stehen. Die großen, bogenförmigen Gebäude werden nur von wenigen Straßenlaternen erhellt. Ich werde aus dem Wagen gezogen und in eins der Gebäude hinein geführt. Ein langer Gang führt zu einer Tür. Die Tür wird aufgeschlossen, ich werde hinein geschubst und die Tür schließt sich automatisch wieder. Ich höre wie die Riegel sich langsam einschieben und vernehme ein leises Knacken.

Ich spüre einen stechenden Blick. Verwirrt drehe ich mich um und blicke ihn zwei unnatürlich leuchtende Augen. Vorab etwas zu meiner Umgebung: Der Raum war völlig kahl. Die Farbe war ein dreckiges beige und mitten im Raum stand, meiner Meinung nach völlig unpassend, ein einzelnes Bett.

„Wie geschmacklos.“, seufze ich über die Einrichtung.

„So sieht es aus, ich hätte eher ein helles Blau genommen. Hat den netten Nebeneffekt der Beruhigung.“, murmelt der Mann auf dem Bett, ohne seine Augen von mir abzuwenden.

Ich mustere ihn nun. Er ist ziemlich schmal und zierlich, trägt einen schwarzen Anzug und hat weißes Haar. Sieht nicht so aus, als könnte er IRGENDJEMAND gefährlich werden. Dafür ist er zu weiblich… wahrscheinlich schwul…

„Wer sind sie?“, frage ich.

„Mein Name ist Algesio. Ich bin Modedesigner.“

Ich lege den Kopf schief, welches Interesse könnten diese Leute an ihn und mir haben. Und was noch viel wichtiger ist: WARUM ZUR HÖLLE SPERREN DIE EIN KIND ZU NEM SCHWULEN MODEDESIGNER? Versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Schwule. Mir ist das verdammt egal, wer was wie liebt, aber jetzt mal ganz im Ernst: WARUM?

Ich seufze und schaue mich im Raum um. Algesio steht währenddessen auf und stellt sich mir gegenüber. Ich kümmere mich nicht weiter darum und denke über einen Fluchtweg nach. Da spüre ich einen starken Druck gegen meine Schädeldecke. Mein Kopf wird ruckartig hochgezogen und ich schaue direkt in die Augen von Algesio. Ich spüre wie sich sein Blick langsam in mir verkriecht, in der Hoffnung, in meinen Verstand einzudringen und mich zu steuern. Aber ich mag das nicht. Ich greife vorsichtig seine Hand. Seine Augenfarbe wird weiß und er fällt ihn Ohnmacht.

So stehe ich hier. In einem völlig kahlen Raum mit einem ohnmächtigen Mann. Na große Klasse! Ich packe den Mann und schleife ihn auf das Bett. Decke ihn über und gehe zurück zu Tür. Ein leises Atmen auf der anderen Seite der Tür ist hörbar.

„Hey Mister?“, rufe ich, „Mein lieber Zimmernachbar sieht nicht gerade gesund aus!“

Ein Poltern von einem Stuhl, der zur Seite gestellt wurde. Die Tür wird aufgerissen und ein Mann drückt sich an mir vorbei. Dabei entnehme ich ihm sein Klappmesser und steche es ihm schnell in den Bauch. Eine große Blutwunde klafft auf und der Mann sackt zusammen. Ich reise ein Stück der Bettdecke ab und binde es um die Wunde des ohnmächtigen Mannes. Ich will ihn nicht töten, er darf mich nur nicht aufhalten.

Ich schleiche den Gang entlang, da rieche ich etwas. Es riecht verkokelt. Ich renne dem Geruch nach und reiße die Tür auf. Vor mir steht Dave.

Der Mann liegt auf den Boden.

„Du hast lange gebraucht.“, gibt Dave grinsend zu.

„Ich hatte einen seltsamen Zimmernachbarn.“, antworte ich, während ich meine Maske aufsetze.

Mir war schon seit langem diese Entführerbande bekannt. Sie entfernten Menschen aus ihrer Umgebung auf Auftrag von Leuten mit genug Geld. Manchmal ließen sie die Menschen wieder für eine Unsumme frei. Manchmal schickten sie die Opfer auch zum Boss. Mein neues Ziel…

Er liebte es Leute zu quälen. Er zog ihnen die Fingernägel heraus, schnitt ihnen Zungen und… na ja… anderes ab, nur damit sie später an ihren eigenen Erbrochenem ersticken mussten. Oder er quälte sie so lange, bis er sie schließlich in den Selbstmord trieb.

Ich starre auf den Mann runter.

„Was hast du mit ihm gemacht?“, frage ich.

„Nur einen Ellenbogenschlag in den Bauch. Nichts Besonderes.“

„Und die Stichwunden?“, frage ich nach und deute auf den Rücken.

„Naaaa gut. Vielleicht habe ich ein-, zweimal auf ihn eingestochen. Aber zu meiner Verteidigung: Dieser Typ hat mich in den drei Tagen, in denen ich hier war, die ganze Zeit angemacht. Das ist doch nicht normal.“

„Jetzt weißt du, wie es mir geht. Die Sendung verlief ohne dich übrigens ziemlich gut. Habe ein Mädchen und einen Jungen getroffen, die mir halfen. Wäre nur nett, wenn du mich das nächste Mal kontaktierst, wenn du vor der Sendung entführt wirst.“, meine ich sarkastisch.

„Ich schick dir 'ne E-Mail.“, gibt er lächelnd zurück und wir machen uns auf den Weg zum Büro des Chefs. Meine Show beginnt immerhin in einer Stunde…

Was war das? Wer war das? Ich schlage meine Augen auf und drehe mich um. Dabei falle ich vom Bett. Na toll. Zuerst werde ich von irgendwelchen Vollidioten entführt und jetzt das. Meine Gedanken kommen wieder. Wer war er? Wer war der Junge?

Ich stehe auf. Sehe Blut. Ein Mann liegt am Boden. Seine Wunde ist gebunden, wer hat das wohl getan? Doch nicht dieser kleine Pimpf? Warum war ich überhaupt auf einmal weg?

Nur die Ruhe, er konnte meinen „Angriff“, wenn man so sagen will, doch nicht einfach abwehren, oder? Nein, das war unmöglich…

Mich durchfuhr ein starkes Zittern in dem Moment. Ich erblicke die offene Tür und renne durch die Gänge. Ich sehe eine Treppe. Das Schlauste wird erstmal sein, zu wissen wo ich bin, bevor ich hier unten herum irre.

Ich steige die Treppen schnell hoch. Zwei Stufen auf einmal. Als ich oben angekommen bin, wollte ich eine Tür suchen, die zum Dach führt, da höre ich diese leise, verzerrte Stimme.

Ich erblicke eine Tür. Schon in der Hölle hat man mich wegen meiner Neugierde gehasst. Ich liebte es schon immer neue Sachen an meinen Opfern anzuwenden, um zu prüfen wie sie darauf reagieren. Das konnte meine Langweile wenigstens eine Zeit lang mildern…

Ich schaue durch den Türspalt. Zwei Jungen stehen in dem Zimmer des Rektors. Einer bedient eine Kamera und scheint die Einstellungen zu überprüfen. Er war vielleicht 16. Der andere sieht etwas jünger aus, aber das ist schwer zu erkennen. Der Junge trägt eine weiße Maske.

„Bist du bereit?“, höre ich den maskierten Jungen fragen.

Der Andere nickt und stellt die Kamera auf.

Der maskierte Junge spricht: „Hallo meine lieben Zuschauer und Zuschauerinnen. Ich freue mich wirklich unglaublich, sie heute hier begrüßen zu dürfen. Falls Sie diese Show nicht kennen: Mein Name ist Vergo und ich koche heute etwas Schönes. Aber bevor ich an der Stelle weitermache, würde ich gerne noch etwas an die Kinder los werden…“, ich ziehe die Augenbraue hoch, während Vergo eine kleine Rede hält, warum die Kinder abschalten sollten.

Mein Blick umwandert den Raum. Der Raum hatte eine schöne Ausstattung. Angenehm und doch stilvoll. Wer immer hier sein Büro hat, gehört zu den höheren Tieren. Aber halt, hat der Junge nicht etwas von einer Kochshow gesagt?

„Also, unser heutiger Gast ist eine Person, die es liebt andere Menschen Leiden zu lassen.“, ein Schauder breitet sich auf meinen Rücken aus. W- was? Er kann doch nicht von mir reden? „Jahrelang hat er auf andere Menschen hinab gesehen und sich ihrer Qualen erfreut.“, Schweiß bildet sich auf meiner Stirn. Er kann doch unmöglich geahnt haben, dass ich ihn folge. Er bewegt sich, verdammt warum bewegt er sich? Er geht zu mir. Er geht zu Tür. Und ich kann ihn nicht brechen! Ich kann auch nicht meine Dämonengestalt aufrufen. Der Junge mit der Kamera folgt ihm mit jedem Schritt… Verdammt, verdammt. Halt!

Was macht er jetzt? Er geht weiter. Wo geht er hin?

Der Junge dreht den Stuhl vor dem Schreibtisch um und ein Mann kommt zum Vorschein. Sein Gesicht durchfurchen bereits mehrere Narben und Schnitte.

„Dieser nette Herr ist Nikolai Chalvo. Er liebte es immer Männer, Frauen oder Kinder die Zähne einzeln herauszureißen und sie denjenigen zu Essen zu geben. Ich will darin gar nicht weiter ausschreiten, denn eigentlich sind wir ja zum Kochen hier und nicht, um Foltermethoden aufzuzählen.“, meint er lächelnd und hält dem Opfer einen Behälter, wahrscheinlich mit Duftmittel, hin. Das Opfer öffnet die Augen und starrt in das bleiche Gesicht von Vergo.

„Wenn sie mich töten haben sie meine ganze Firma am Hals.“, flüstert der Mann namens Nikolai.

„Nette Idee, aber sie haben Ihre „Kinder“ zum Geld erzogen. Sie werden sich nicht für Sie interessieren. Maximal für Ihr Geld, aber so was geht vorbei…“

„Sie haben doch keine Ah-“, Vergo stopft den Mann einen Lappen in den Mund.

„Ganz ruhig.“, flüstert er in einem beruhigenden Ton, „Sie waren doch auch schon oft in der Lage. Wir haben gerade nur mal die Rollen getauscht.“

Vergo nimmt ein großes Messer vom Tisch und streckt die Beine des sich währenden Opfers aus. Er reißt die Anzughose auf und stellt einen Behälter unter das Bein. Fasziniert schaue und höre ich ihm zu.

„Wenn ich das Bein aufschneide kann ich das Beinfleisch entfernen und zusammen rollen. Dabei entnehme ich gleichzeitig die Sehnen und verschnüre das Fleisch zu kleinen Rollladen. Diese tunke ich in Blut, garniere das in Knochenmark und lasse es, alles zusammen, anbraten. Dadurch setzt sich das ultimative Aroma zusammen.“

Langsam setzt er seine Anleitung in die Tat um. Mit einfachen Schnitten entfernt er die Haut des Beines. Die Sehnen schnitt er vorsichtig ab und umrollte damit das Fleisch. Als er die Rollladen in das Gefäß legte, wurde sein Grinsen breiter.

Das Opfer ist inzwischen in einer Ohnmacht gefangen. Vergo gibt ihm eine Spritze und seine Augen reißen sich ruckartig wieder auf.

„Na na na, sie wollen den ganzen Spaß doch nicht verpassen.“, fragt er und lächelt ihn dabei an.

„Ich brauche jetzt Knochen, aber ihre Beinknochen sind nicht die Besten… Ich denke bei ihren Schädel sieht das etwas schmackhafter aus.“

„W- was?“, winselt der Mann.

Ich beobachte Vergo mit einer Mischung aus Vergnügen und Ehrfurcht. Ich, ein Diener Satans, hatte tatsächlich Ehrfurcht vor einen 15-jährigen? Was war denn jetzt los? Aber ich kann dieses Gefühl nicht verhindern.

Vergo hält das Messer genau gegen die Schädeldecke des Mannes. Ein dumpfer Schlag, dann ist alles vorbei. Kein Winseln, kein Betteln. Nur noch Stille… Stille? Stille ist doch wunderbar.

Ein Winken in die Kamera und ein fröhliches Bye then. Dann beenden die beiden ihr Programm und verschwinden durch das Fenster.

Ich entscheide mich ebenfalls zu gehen und verlasse das Gebäude, nachdem ich meinen Standort auf dem Dach klar gemacht habe. Eine Kannibalen- Kochshow… Die Menschen sind schon ulkig…


Nächter Teil

Autor: Aylo

reihe/vergo/vergo_16.txt · Zuletzt geändert: 23.10.2020 13:56 von 66.249.64.138