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reihe:cyberpunk-red_alert:alex_burton

Cyberpunk - RED Alert - Alex Burton

I.

Im National-Gefängnis von Helligenstadt. 23. Juli 2072 - 19:40 Uhr Ortszeit…

Alex Burton hatte es sich gemütlich gemacht, wenngleich seine Lässigkeit mehr gespielt war als alles andere. Innerlich war dem kleinen, hageren Verbrecher klar, dass er eine hohe Gefängnisstrafe zu erwarten hatte. Drogendealer, die nichtautorisierte Drogen an Menschen verkauften, bekamen mindestens fünfundzwanzig Jahre Gefängnis. Dazu kam noch, dass er einen Polizisten getötet hatte. Er konnte froh sein, wenn er weniger Jahre bekommen würde.

Eben in diesem Gefängnis saß nun Alex Burton. Da die Justiz vollautomatisch verlief, handelte man seinen Fall innerhalb von vierundzwanzig Stunden ab und verfrachtete ihn in seine Zelle, die ununterbrochen mit Hilfe von Kameras unter Beobachtung stand.

Die automatische Zellentür öffnete sich, und ein leicht korpulenter Mann mit Halbglatze betrat den hell erleuchteten Zellenraum.

„Es tut mir leid, Mr. Burton,“ begann er zögerlich das Gespräch, „doch ich konnte leider keine geringere Haftstrafe für sie erwirken. Es bleibt bei den vorerst fünfundzwanzig Jahren. Der Richter stellte lediglich in Aussicht, dass sie nach der Hälfte der Strafe einen Antrag auf Bewährung stellen könnten, was allerdings geringe Chancen auf Erfolg hat, denn sie haben ja obendrein noch einen Polizisten getötet.“

„Verdammte Scheiße“, murmelte Burton vor sich hin, „..und das nennt sich nun Anwalt.“ Burton sah tief in die Augen seines Gegenübers und musterte dessen Gesichtsregung. Er konnte die Angst seines Anwaltes förmlich riechen. „Haben Sie auch wirklich alles versucht?! Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie für einen Worker wie mich nicht alles getan haben. Ihr Honorar fällt ja schließlich nicht großzügig aus.“

„Ihre gesellschaftliche Stellung hat damit nichts zu tun, Mr. Burton. Es war im Vorfeld schon klar, dass der Richter eine harte Strafe für Sie aussprechen würde. Ich konnte leider nichts weiter für Sie tun. Es tut mir leid.“

Alex Burton fing an zu lächeln. Es war ein diabolisches Grinsen, das im hell erleuchteten Raum sich mit dem hageren Gesicht Burtons zu verschmelzen schien. Aus der Ferne betrachtet erinnerte das Gesicht an einen Totenschädel, der ewig grinsend ins Leere blickte. „Es wird Ihnen noch leidtun. Das kann ich versprechen. Versager!“, in seiner Stimme lag der übelste Zorn, den man sich nur vorstellen konnte. Der Anwalt machte einen Schritt zurück und wischte sich mit einem Taschentuch die vom Schweiß besudelte Stirn ab:

„Wie Sie meinen, Mr. Burton. Ich denke, Sie werden mich nicht mehr wiedersehen. Deswegen… leben Sie wohl!“ Mit diesen Worten verließ der dicke Mann mit Halbglatze den Zellenraum und ließ Alex mit seinem inneren Groll zurück. Als sich die Tür schloss, stierte Burton noch einige Minuten auf dessen Rahmen, dort wo die Kameras angebracht waren. „Na toll – hier kann man sich noch nicht einmal gepflegt einen runterholen, ohne dass es womöglich im Staatsfernsehen gesendet wird.“


Im National-Gefängnis von Helligenstadt. 21:00 Uhr Ortszeit…

Einzelhaft – für mindestens fünfundzwanzig Jahre. Immer wieder kam dieser Gedanke in ihm hoch. Trotz der Gefangenschaft war seine Zelle alles andere als unkomfortabel. Eine Cyberbrille auf neustem Stand und ein helles Sofa sowie ein geräumiges Bett waren seine stummen Begleiter, die ihm die Haft erträglicher machen sollten. Einige Bücher waren in einem Regal an der Wand nahe dem Zelleneingang zu finden. Der aufgezwungene Luxus dieser Zelle war nur für Häftlinge, die mehr als zwanzig Jahre absitzen mussten. Es war durchaus auszuhalten, wenn man die Unfreiheit außer Acht lassen konnte. Doch Burton hasste diese Zelle mit all seinen brutalen Gedanken. Er hasste seinen Anwalt, diese Gesellschaft. Er wäre schon längst in den Outlands verschwunden, wenn er nicht hier die Liebe seines Lebens gefunden hätte.

Noah!, schoss es ihm durch den Kopf. Es war Alex einzige Liebe, die er zu verteidigen suchte. Noah war der Typ von Mann, den er immer gesucht hatte. Nur ihm zuliebe hatte er dies alles getan. Das Handeln mit illegalen Drogen hätte Noah zwar missfallen, doch sie beide kannten auch das Elend der Worker in den Straßen von Helligenstadt, ganz besonders aber das Elend von Old Dover Town. Schon seit ihrer Schulzeit kannten sie sich. Gleich am ersten Tag waren sie zu besten Freunden geworden. Alex musste sich eine Träne verkneifen, wenn er an Noah dachte. Leise sprach er zu sich selbst und nahm dabei ein Buch aus dem Regal, dass er lesen wollte, zumindest versuchte er so, an andere Gedanken zu kommen. „Wie kann ich dich nun retten?… Noah… was soll ich tun?“


II.

Am nächsten Tag im Sitzungsraum des Nationalgefängnisses. 9:10 Uhr Ortszeit…

„Mr. Burton. Ich bin Ihre Psychologin, die Ihnen vom Konzern gestellt wurde, damit ich Ihnen dabei helfen kann, ein besserer Mensch zu werden. Diese Therapiesitzungen sind Teil des Rehabilitierungsprogrammes, finanziert vom Sakura-Konzern. Sollte ich mitbekommen, dass Sie wenig kooperativ sind, werde ich diese Therapie als zwecklos einstufen und es bei einem Bewährungsantrag Ihrerseits, mit einfließen lassen. Haben Sie mich verstanden?!“

Mit einem scharfen Unterton in der Stimme und mit einem eher gelangweilten Blick sah die junge Psychologin, die sich mit dem Namen Amanda Watson vorstelle, in die Augen ihres Gegenübers Alex Burton. Es war ihr anzumerken, dass sie ihn nicht mochte. Wenn er sie anlächelte, verzog sie ihr Gesicht zu einer angewiderten Grimasse und fuhr dann mit einer gewöhnlich sachlichen, aber arroganten Ausdrucksweise fort.

„Mrs. Watson?“

„Ja, Mr. Burton?“

„Wie wäre es, wenn Sie mir erst einmal eine Zigarette anbieten?“

Abermals die angewiderte Grimasse der jungen Frau, die nur widerwillig der Bitte ihres Patienten Folge leisten wollte. Burton hingegen schien davon unbeeindruckt und tippte mit dem Finger auf das Zigarettenetui, dass Amanda vor sich auf den Tisch gelegt hatte.

„Darf ich?“, fragte er mit einer gespielten Freundlichkeit.

„Nehmen Sie immer Zigaretten von fremden Leuten?“, Mrs. Watson versuchte eine professionelle Haltung zu wahren, was ihr angesichts der Dreistigkeit von Burton immer schwerer fiel.

Kurzerhand nahm er das Etui und öffnete es, nahm zwei Zigaretten heraus und legte das Etui wieder sorgfältig an Ort und Stelle, bevor er sich eine der beiden Zigaretten hinter eines seiner Ohren steckte und die andere mit einem Zigarettenanzünder, der sich auch auf dem Tisch befand, ansteckte.

„Danke – Mrs. Watson.“

„Versuchen Sie hier irgendwie so etwas wie Kontrolle zu erhalten?“ fragte die Psychologin schon beinahe herausfordernd.

„Sie haben es doch in der Hand. Ich bin ihr Gefangener – schon vergessen?“, sagte Alex mit einem breiten Lächeln, das die Psychologin innerlich noch mehr aufregte.

„Hören sie zu!,“ erwiderte Amanda mit schroffer Aussprache „wir können das Ganze auch gleich vergessen, dann kommen Sie halt erst nach 25 Jahren aus ihrer Zelle! Doch ich will Ihnen eine Chance geben, sich mir zu offenbaren – haben Sie das nun endlich verstanden?“

Sichtlich beeindruckt von der aufbrausenden Art der jungen Psychologin, setze sich Burton aufrecht hin und zog dabei genüsslich an seiner Zigarette. Von nun an bemühte er sich einen ernsthafteren Ton zu pflegen und blickte in die blauen Augen der jungen Frau mit einer Spur von Verführung. Wenngleich er nicht auf Frauen stand, so hatte Amanda Watson etwas, was ihm gefiel.

„Oh ja – ich habe verstanden. Womit soll ich denn anfangen? Mit meiner Kindheit – oder mit dem, was ich in letzter Zeit gemacht habe?“

„Mr. Burton, Ziel ist es zu erfahren, warum Sie auf die falsche Bahn im Leben gekommen sind. Es wird uns dabei helfen, Ihre Denkfehler zu analysieren und gezielt eine Methode zu finden, wie solche Gedanken nie wieder in Ihnen aktiviert werden.“

Sie sagte das mit so einem logischen Sachverstand, dass man meinen konnte, es würde der jungen Psychologin an Empathie fehlen. Wahrscheinlich hatte sie andauernd mit Patienten zu tun, die auf die schiefe Bahn gekommen waren, um so ihr Glück zu versuchen.

„Verstehe,“ entgegnete Alex knapp. „Ich dachte, sie setzen dabei irgendwelche Drogen ein – außer Xenoph, meine ich natürlich, denn diese Droge bekomme ich ja gratis jeden Abend serviert.“

„Das wäre nur für den Fall, wenn Sie nicht kooperieren würden. Doch wir sollten anfangen. Mich interessiert vor allem die Zeit, wo es mit Ihrem Drogenhandel angefangen hatte.“

Alex nahm die Zigarette aus dem Mund und drückte diese in den silbernen Aschenbecher aus, der mitten auf dem Mahagonitisch stand. Amanda Watson drückte auf einen gelben Knopf, der im Tisch eingelassen war. Ein Mechanismus wurde dadurch in Bewegung gesetzt, der eine Öffnung in einer der weißen Wände offenbarte und eine schwebende Kamera zum Vorschein kommen ließ.

Amanda musterte Alex streng und forderte ihn auf anzufangen. Dieser sah etwas unsicher zur schwebenden Kamera, die eher einem übergroßen Schneeball glich, bevor er damit anfing, seine Geschichte mitzuteilen:


III.

Old Dover Town, Helligenstadt – ein halbes Jahr zuvor…

„Da musst du aber noch eine Weile länger üben, bevor du mich im Dartspielen schlägst“, sagte der dunkelhaarige, junge Mann, bevor er sich lachend seinem Bier widmete und Alex mit diesen Worten zuprostete. „Auf dein Wohl – Du Loser!“

Etwas verwundert, dennoch amüsiert sah sich Alex Burton um. Er befand sich in seiner Stammkneipe, zusammen mit deinem besten Freund – Noah Johnson. Dieser nahm gerade einen kräftigen Schluck aus seinem Bierkrug und zupfte dabei seine Jeansjacke zurecht. Seine schulterlangen, schwarzen Haare glänzten dabei im gelben Neonlicht der eher schlicht ausgestatteten Old-Dover-Bar. Es war der Treffpunkt vieler Worker, die sich nach ihrer harten Arbeit hier trafen, um ein wenig Spaß zu haben. Was es auch sei – Xenoph und andere Drogen, sowie Cybersex, man wurde hier fündig und glücklich.

Alex nahm gerade den letzten Dartpfeil aus der Scheibe, als der Wirt des Hauses ihm ein neues Bier bereitstellte. Noah und er waren an diesem Abend schon recht stark angetrunken, denn es gab etwas zu feiern. Noah wurde zum Abteilungsleiter befördert und konnte sich somit auf ein besseres Gehalt freuen. Burton dachte sich, dass er deswegen so gut beim Darts war, weil seine Laune übermäßig positiv gestimmt war.

„Warte ab,“ erwiderte Alex freundlich „morgen schlage ich dich wieder. Du bist sonst eher der Verlierer.“

„Nicht heute - mein lieber Alex! Vielleicht sollten wir uns noch eine Ladung Xenoph gönnen, bevor wir diesen Abend beschließen, was meinst Du?“

Die Old-Dover-Bar war sehr dunkel und wurde nur spärlich von rotem und gelbem Neonlicht durchflutet. Nicht zu viel Licht und gemütlich mit runden Tischen ausgestattet, fand man immer seinen Platz, und so machten es sich Noah und Alex bequem. Beiden war schon vor Monaten klargeworden, dass ihre Freundschaft mehr war, als nur oberflächlich sich zu verstehen, bei der gemeinsamen täglichen Arbeit. Es war schon regelrecht eine Beziehung, auch auf sexueller Ebene. Der Wunsch, den anderen zu berühren und seinen Atem zu spüren, war allgegenwärtig. Meistens endeten diese Abende in den privaten Bereich bis zum nächsten Morgen. Als Alex sein Xenoph geschnüffelt hatte und den erwartungsvollen Blick Noahs zu interpretieren versuchte, lächelte dieser sanft, nahm seine rechte Hand und rückte näher.

„Weißt Du, Alex… ich muss dir was sagen“, Burtons innerliche Gefühle waren bis zum Zerreißen angespannt. Es war eine positive Anspannung, denn er konnte schon ahnen, was sein Freund ihm zu offenbaren versuchte.

„..und was ist es, Kumpel?“, entgegnete Burton ungeduldig.

„Ich mag dich sehr, Alex…“

„Ja, das weiß ich doch. Das wolltest du mir doch nicht sagen, oder?“

Ein kurzes Räuspern von Noah und ein abermaliger sanfter Händedruck an der rechten Hand.

„Ich – ich möchte, dass wir versuchen sollten, eine gemeinsame Zukunft zu planen.“

Alex’ Herz vollführte einen Extraschlag und sein hageres Gesicht verzog sich zu einem freudigen Lächeln.

„Oh Noah! Kumpel! Hey, das freut mich so sehr. Du willst also wirklich, dass wir zusammenziehen?“

„Ich habe es mir schon lange überlegt und – ja! Ich will es so.“


Im Sitzungsraum des Nationalgefängnisses…. Gegenwart

Amanda Watson unterbrach die Ausführungen ihres Patienten und steckte sich ihrerseits nun eine Zigarette an. „Sie wollen mir also sagen,“ begann sie das weitere Gespräch mit einem perfiden Unterton, „dass Ihre homoerotische abnorme Gaunergeschichte in einer heruntergekommenen Bar in Old-Dover-Town begann? Was hat dieser Noah mit Ihren kriminellen Geschäften zu tun?“

„Wenn Sie mich ausreden lassen, dann werden Sie den Hintergrund schon kapieren, gab Alex Burton trotzig zu verstehen.

Amanda machte sich ein paar Notizen auf ihrem schneeweißen Pad und blies dabei den Rauch ihrer Zigarette in das Gesicht ihres Gegenübers. Es war eine rein provokante Handlung, die sie Alex entgegenbrachte, dennoch behielt der kleine ehemalige Dealer die Nerven und lehnte sich lässig zurück, dabei beäugte er die junge Psychologin mit einem fast verführerischen Blick.

„Na, dann fahren Sie endlich weiter fort - Mr. Burton“


In den Straßen von Old Dover Town – ein halbes Jahr zuvor kurz nach Mitternacht…

Noah und Burton verließen die Old-Dover-Bar in heiterer und angetrunkener Stimmung. Es war schon spät und beide hatten in ein paar Stunden bereits wieder Dienstanfang. Sie würden diesen Abend rein körperlich bereuen, dass wussten sie beide. Burton wollte gerade seine Jacke zuknöpfen, als eine Fremde Gestalt ihnen den Weg versperrte. Im schwachen Neonlicht der Leuchtreklamen, konnten Alex und Noah nur die Umrisse des mysteriösen Fremden erkennen.

Beide blieben reglos stehen und versuchten mehr im Schatten zu erkennen. Doch der Fremde konnte geschickt sein Gesicht verbergen und ließ lediglich eine raue und dunkle Stimme ertönen:

„Hey ihr da! – Habt ihr einen Pound für mich?“

„Tut mir leid,“ antwortete Noah zögerlich „aber wir haben gerade das letzte Bargeld in der Bar gelassen.“

Der Fremde trat näher und offenbarte dadurch sein breites Gesicht. In seinen Augen lag eine eiskalte Entschlossenheit. Dies war kein gewöhnlicher Bettler, schoss es Alex durch den Kopf.

„Du wirst doch bestimmt noch eine Kleinigkeit in der Brieftasche haben, oder?“, sagte der Fremde mit einer fiesen Grimasse, die schon unheilverkündend Schlechtes erahnen ließ.

„Nein! Wirklich nicht. Geh woanders betteln!“, Noahs Stimmung driftete nun total ins Negative. Seine anfängliche gute Laune war wie weggeblasen und er ballte seine Hände zu Fäusten.

„Verschwinde jetzt hier!“, platzte es aus ihm heraus.

Es war eine Sache von Sekunden, vielleicht auch ein Akt der Unachtsamkeit. Schnell und kaum wahrnehmbar, doch es passierte. Der dunkle Mann - der Fremde holte eine Waffe aus seinem Mantel hervor und zielte auf die Brust von Noah. Im nächsten Moment war ein Schuss zu vernehmen, der durch die Nacht hallte wie ein Echo im Gebirge.

Danach folgte Stille – scheinbar endlose Stille. Schnelle Schritte, die sich entfernten. Alex Burton stand noch vollkommen benommen auf der Straße, als der erschlaffte Körper seines Freundes zu Boden sackte. Erst einige Augenblicke später konnte Alex realisieren, was soeben geschehen war. Noah wurde lebensgefährlich verletzt. Er hechtete zu ihm und fühlte seinen Puls; sehr schwach, kaum wahrnehmbar. Alex griff nach seinem Phone und verständigte einen Not-Mediroboter. Das System war voll automatisiert und schaffte es, dass medizinische Hilfe innerhalb von 3 Minuten vor Ort anwesend war. Auch in diesem Fall kam schnell ein Roboter angeflogen und leitete augenblicklich Notfallmaßnahmen ein. Zusätzlich verständigte er weitere Einheiten, die den Körper ins nächstgelegene Krankenhaus transportierten. Alex bekam eine Infokarte auf sein Phone gesendet, sodass er den künftigen Aufenthaltsort seines Freundes erfuhr. Die ganze Aktion kam Burton unwirklich vor und er war noch immer etwas benebelt, als die Roboter bereits wieder verschwunden waren. Der heitere Zustand verwandelte sich in nacktes Entsetzen über das, was hier passiert war. All seine Gedanken waren nun bei seinem Freund – einem Menschen, der ihm alles bedeutet hatte. Ein Wort verschwand nicht mehr aus seinem Gedächtnis – es war mehr eine Frage, die unbeantwortet blieb, zumindest in dieser albtraumhaften Nacht, in einem Meer aus Neonlicht und dunklen Gassen.


IV.

Stadthospital, noch in der gleichen Nacht. Intensivstation. 1:30 Uhr Ortszeit…

Ruhige und leere Flure, gewöhnliche Stille, die hin und wieder nur durch das Geklapper der einzelnen Krankenbetten unterbrochen wurde. Alex blickte stumm die gegenüberliegende, helle Wand an. Seine Gedanken waren bei Noah. Dem einzigen Menschen, den er über alles liebte. Als der Arzt – in diesem Fall war es zur Abwechslung mal ein Mensch - mit besorgtem Gesicht auf ihn zukam, konnte Alex schon erahnen, dass es seinem Freund nicht gut ging.

„Mr. Burton?,“ begann er das Gespräch, „gut, dass sie noch geblieben sind. Ich muss ihnen leider mitteilen, dass Mr. Johnson lebensgefährlich verletzt wurde. Die Kugel streifte die rechte Herzkammer. Im Moment halten ihn die Maschinen noch am Leben, doch sollte er kein Hardware-Herz erhalten, muss er wohl für ewig in der Stasis bleiben.“

„Sind keine künstlichen Herzen verfügbar, Doktor?“, wollte Alex wissen.

Der Arzt runzelte die Stirn und versuchte beruhigende Worte zu finden:

„Hardware-Herzen haben wir immer zur Verfügung. Theoretisch. Doch so ein Herz gibt es leider nicht zum Nulltarif.“

Wie hoch sind die Kosten, Doktor?“, in Alex Stimme lag ein angsterfülltes Beben.

„Nach den aktuellen Markpreisen zu urteilen – zwischen 10.000 und 14.000 Pounds.“

Alex Burton schluckte. Dies war eine gigantische Summe, die man nicht einfach so anhäufen konnte. Mit dem Gehalt eines Workers unmöglich. Selbst einen Kredit würde er nicht erhalten. Dafür gehörte er einfach nicht zur Schicht der Nobilitys oder gar Gods an. Er war ein Worker, und somit lag dieses Hardware-Herz in unerreichbarer Ferne. Der Arzt ergriff seine Schulter und schenkte ihm sein müdes Lächeln.

„Keine Sorge – der Stasistank wird einige Zeit noch in Betrieb gehalten werden. Ich denke, bis dahin könnte noch die Chance bestehen, dass sie dieses Herz erwerben würden, um ihn aus dieser Situation zu retten. Ich kenne da zufällig einen Kollegen von mir, den sie per Phone erreichen könnten. Er hat immer wieder einen Job zu erledigen, der eine hübsche Summer bringen könnte.

Mit diesen Worten blitzte das Phone von Burton auf. Eine Nummer war darauf zu erkennen. Ein letzter Blick zum Arzt, der ihm mit den Augen zuzwinkerte, bevor er weiter den Flur entlangschritt.

Mit dieser Nummer entstand für Alex Burton das, was er später noch bereuen würde. Es war die Zeit, in dem seine Karriere auf der Schattenseite dieser Stadt begann. Eine Zeit der Illegalität. Das notwendige Übel, das getan werden musste, um seinen Freund, Noah Johnson, zu retten. Viel Zeit würde nicht mehr bleiben, dass wusste Alex. Wie hätte er sonst diese 14.000 Pounds auftreiben können? Ein letzter Gedanke an seinen Freund und der beherzte Griff zum Phone und schon rief er die unbekannte Nummer an.


im Sitzungsraum des Nationalgefängnisses…. Gegenwart

Amanda Watson notierte sich noch einige Stichpunkte auf ihr Pad und blickte etwas unsicher ihren Patienten an.

In Alex Augen lag der sanfte Geist einer gewissen Aufrichtigkeit und sie war sich nicht ganz sicher, wie sie angemessen reagieren sollte. Als sie den Stift beiseitegelegt hatte, stand sie auf und machte sich auf, den Raum zu verlassen. „Ich glaube – ich brauche heute noch einen Kaffee. Wollen Sie auch etwas, Mr. Burton?“

„Nein Danke, Dr. Watson.“

„Vergessen Sie nicht, dass Sie weiterhin unter Beobachtung stehen. Die Kameras zeichnen alle auf. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.“

Alex hielt kommentarlos einen Daumen nach oben und sah der jungen Psychologin hinterher, wie sie schnellen Schrittes den Raum verließ. Erst nachdem sie außer Sicht war, blickte er das Zigarettenetui an.

„Naja,“ sprach er zu sich selbst „wenigstens hat sie die Zigaretten liegen gelassen. Eine weitere wird wohl nicht schaden, oder?“


V.

In der Kantine des Nationalgefängnisses 10:33 Uhr Ortszeit…

Amanda Watson sah Alex Burton nun in einem etwas anderen Licht. Er war nicht der typische Verbrecher, der hier ein neues Zuhause gefunden hatte. Wenn man es genau betrachtete, war er ebenso ein Opfer wie diejenigen, die offiziell gute Bürger dieser Stadt waren und Verbrechen zum Opfer fielen. Zudem wollte er einen geliebten Menschen retten, der womöglich noch immer in Stasis war und auf sein künstliches Herz wartete. Erst von da an kam er auf die schiefe Bahn – erst als er diese mysteriöse Nummer anrief, wurde er zum Verbrecher.

Noch in Gedanken versunken, mit einem leeren Kaffeebecher in der Hand, bemerkte Amanda zunächst nicht, dass sie angesprochen wurde, von einem jungen Mann, der auch zum medizinischen Personal zu gehören schien. Er war groß, mit langen Haaren, in einen weißen Kittel gekleidet und mit einem stechenden Blick, der nun auf sie fixiert war. Wie durch Watte vernahm sie dessen Worte und konnte nur zögerlich reagieren:

„Was?… oh entschuldigen Sie, ich hatte Ihnen nicht zugehört.“

Der junge Mann, Amanda schätzte ihn auf Mitte zwanzig, lächelte und stellte seine Frage erneut:

„Ich hatte gefragt, ob ich Ihnen einen Kaffee bringen soll? Sie stehen hier schon eine kleine Weile rum. Der Becher füllt sich nicht von alleine. Daher wollte ich Ihnen zur Hand gehen.“

„Sehr nett von Ihnen. Hier bitte.“

„Danke – ich bin gleich wieder da.“ – die Psychologin sah dem unbekannten, aber freundlichen Mann hinterher und beschäftigte sich weiter mit ihrem Pad, auf dem sie die letzten Notizen abgespeichert hatte. Burton tat ihr im Grunde jetzt schon leid. Gewissenlos war er keineswegs. Für einen Mann, der schon in den Dreißigern war, hatte er sich für einen Worker sehr gut gehalten. Sicherlich hätte er eine bessere Zukunft verdient, wenn nicht dieser Zwischenfall in der Old Dover Station passiert wäre. Sie hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da kam auch schon der fremde Mann wieder und reichte ihr einen gefüllten Becher Kaffee.

„Hier, Dr. Watson. Ihr Kaffee.“

Amanda nahm ihr Pad zur Seite und ergriff den Becher: „Oh Danke… Moment? Sie kennen meinen Namen?“

Wieder dieses schüchterne Lächeln und abermals dieser stechende Blick des Unbekannten vor ihr.

„Es steht auf dem kleinen Schild auf der Brust bei Ihnen. Doch ich halte es nur für fair, wenn ich mich kurz vorstelle, denn ich habe leider mein Namensschild noch nicht bekommen. Wayne, Arnold Wayne mein Name.“

„Oh – na dann, Mr. Wayne – sie gehören zum Pflegepersonal dieses Vollzugs?“, wollte Amanda wissen.

„Kein Pfleger, Dr. Watson. Eher im letzten Semester meines Medizinstudiums, möchte mich später auf Virologie und Chemie spezialisieren. Der Konzern hat mich zum abschließenden Praktikum hier her versetzt. Ich plane in einem Jahr meine Doktorarbeit abschließen zu können.“

Es lag eine gewisse Sympathie in dem Gesicht dieses Arnold Wayne. Amanda spürte, dass dieser junge Typ es später wohl zu etwas Großem bringen würde. Doch ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, dass es Zeit war, sich weiter mit Alex Burton zu befassen. Sie nippte an ihrem Kaffee und versuchte sich höflich von Wayne zu verabschieden.

„Na dann Mr. Wayne – oder soll ich sie Arnold nennen?“

„Arnold klingt reizend, Frau Doktor“, sagte er mit einer sanften Stimme.

„Na dann, Arnold - ich muss wieder zu meinem Patienten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und nun entschuldigen Sie mich.“

Mit diesen Worten machte Amanda auf dem Absatz kehrt und verließ die Kantine. Sie bemerkte nicht, wie Wayne ihr gierig hinterher starrte. Auf seinen Lippen formte sich sein Grinsen, ein fast diabolisches Grinsen, dass selbst dem Teufel hätte Angst eingejagt, wenn er es zu Gesicht bekommen hätte.


Im Sitzungsraum des Nationalgefängnisses. 10:47 Uhr Ortszeit…

„Es tut mir leid – es hat etwas länger gedauert, Mr. Burton. Wo waren wir stehengeblieben?“

Alex Burton beugte sich vor und wollte anfangen, seine Geschichte weiter zu erzählen, als er etwas im Gesicht der Psychologin bemerkte, was ihm auffällig komisch vorkam. Es war ein kleines Blutrinnsal, das aus einem ihrer Nasenlöcher unablässig hinablief. Es schien ihm merkwürdig, dass es Dr. Watson selbst nicht bemerkt hatte.

„Dr. Watson – Sie haben da… Blut.“

„Was?! Wo?“, Amanda Watson entwickelte einen leichten Anfall von Unsicherheit und Panik. Alex deutete die Stelle in seinem Gesicht an, wo er das Blut erkannte und Amanda folgte mit ihrer Hand den Andeutungen ihres Gegenübers. Als sie das Blut auf einer ihrer Fingerspitzen erblickte, nahm sie ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und versuchte das immer mehr werdende Blut im Gesicht abzuwischen. Alex blickte sie verzweifelt an und in seinen Augen lag nun auch die Szenerie von regelrechter Hilflosigkeit und Furcht. Was passierte hier? Das Blut strömte jetzt praktisch aus jeder Körperöffnung. Erst die beiden Nasenlöcher, dann aus den Ohrmuscheln, weiter aus Augen und Mund. Praktisch ihr gesamtes Gesicht wurde zu einer blutroten Grimasse. Amanda fing an zu schreien. Die hysterischen Schreie der jungen Psychologin wurden unerträglich laut, sodass sich Alex die Ohren zuhalten musste. Er wich von ihr ab und hockte sich in die Ecke des Sitzungsraumes. Ein letzter Aufschrei von Amanda Watson und mit einem dumpfen Aufprall krachte ihr Gesicht auf den Tisch, der nun die blutrote Farbe annahm. Es schien kein Ende zu nehmen. Das Blut floss weiter auf ihrem Gesicht und besudelte nun auch den Boden. Alex Burton hockte noch immer in der Ecke und konnte nur mit einem entsetzen Blick diese grausige Szenerie betrachten.

Nach einer kurzen Weile öffnete sich die Tür und ein großgewachsener Mann betrat den Raum. Er schien Amanda Watson nicht weiter zu beachten und widmete sich ausschließlich Burton. Der stechende Blick in dessen Gesichtszüge ließ in Alex ein unangenehmes Gefühl hochfahren. Anscheinend gehörte dieser Mann zum medizinischen Personal, denn er trug einen weißen Kittel, der mit einem Stethoskop bestückt war. Ein wenig arrogant beugte er sich herunter und zwinkerte Alex zu:

„Angst, Alex?“, fragte der Mann mit einem spöttischen Unterton.

Alex konnte nur ein leichtes Nicken erwidern, was dem Fremden allerdings wenig ausmachte.

„Das brauchst Du nicht. Ich bin zwar noch ein halber Mediziner, doch schon bald könnte ich mit deiner Hilfe meine Doktorarbeit verfeinern, das heißt natürlich nur, wenn du dich dafür bereiterklären würdest.“

„Wer sind sie?“, fragte Alex mit zitternder Stimme.

„Och entschuldige. Mein Name ist Wayne. Arnold Wayne. Ich fürchte, ich bin hier, um dir eine bessere Zukunft zu ermöglichen.“

Alex verstand nicht, und wenn er sich diesen Arnold Wayne so ansah, dann ging von diesem Menschen eine ungeahnte Gefahr aus. In dessen Stimme lag so etwas wie eine gewisse Verrücktheit, wenngleich er zielstrebig voranging.

Wayne blickte nun zu Amanda hinüber und ließ dabei ein leises Kichern verlauten:

„Hmmm, arme Frau Dr. Watson. So jung und schon so tot. Es ist bedauerlich – doch anders würde ich dich, mein lieber Burton, nicht in die Finger bekommen.“

„Was meinen Sie, Wayne?“

„Sie werden bemerkt haben, dass dieser Raum hier mit Kameras überwacht ist, oder? Ich habe – sagen wir es mal so – ein wenig an den Aufnahmen herumgespielt. Ich kenne mich nicht nur mit Viren gut aus, sondern habe auch ein Gespür auf dem Gebiet der Elektronik. Aber bitte sehen Sie selbst.“

Arnold Wayne nahm das vom Blut besudelte Pad aus der toten Hand von Amanda und wischte das Display mit einem Tuch sauber. Danach hielt er es Burton hin, sodass er erkennen konnte, was auf dem Pad zu sehen war.

Alex sah hin, und mit jeder Sekunde, die verging, verwandelte sich sein Gesicht in pures Entsetzen. Er erkannte den Raum. In dem man seine Person erkannte, wie er am Tisch gegenüber von Amanda Watson saß. In der Mitte des Tisches war ein Kaffeebecher zu erkennen. Als sich die Psychologin kurz von ihm abwendete, sah man, wie er eine unbekannte Flüssigkeit in den Kaffeebecher schüttete.

Kurz darauf nahm Amanda einen kräftigen Schluck aus eben diesem Becher. Kurz bevor man an Alex’ Körpersprache erkennen konnte, dass er auf das Blut im Gesicht von Amanda aufmerksam machte, schaltete Wayne das Display aus.

„Ich denke, den Rest kennen Sie schon oder, Mr. Burton?“

„So ist das nie passiert!“, wehrte sich Alex entschieden. Ihm war klargeworden, dass man ein ganz mieses Spiel spielen wollte.

„Nur keine Sorge. Ich bin vom Konzern beauftragt worden. Anscheinend haben denen meine Theorien gefallen. Deswegen auch die enorme Unterstützung in ihrem Fall.“

„Was zum Teufel meinen Sie, Arnold Wayne!“ – in Alex’ Stimme lag nun Zorn und Wut. Insgeheim überlegte er sich, den komischen Medizinstudenten zu töten.

„Na, der Fremde vor der Old-Dover Bar. Was denken Sie wohl? Er hat Sie mit Absicht nicht auch noch erschossen. Er hätte es einfach tun können. Doch er war von mir eingesetzt gewesen, um ihnen einen Anreiz zu geben, ins Drogengeschäft einzusteigen. Ein genialer Plan, nicht wahr?“

„Soll das etwa heißen?…“ , Alex wurde von Wayne unterbrochen, der seine Stimme energisch erhob, um nicht noch einmal unterbrochen zu werden.

„Ja – auch der Arzt im Krankenhaus war in den Plan eingeweiht. Die Sache mit… hmmm… Noah – richtig? Egal – die Sache mit deinem Lover ist vom Konzern arrangiert worden. Ich musste nur noch Kontakt mit dir aufnehmen, um dich vollends auf die Seite der Unterwelt zu ziehen. Der Anruf von dir, aus lauter Verzweiflung. Für das Leben deines Freundes. Ich bin selbst überrascht, wie gut der Plan funktionierte.“

Alex hörte jedes einzelne beschissene Wort. In seinen Gedanken kam nur ein Aspekt zum Vorschein, den er nicht mehr ignorieren konnte. Er war wie ein Schaf zur Schlachtbank geführt worden. Er war zum Spielball dieses Arnold Wayne geworden. In einem Satz gesagt, Wayne hatte ihn in der Hand und er wusste genau, was er tat.

Nach einer Weile hockte sich Wayne zu Alex und sah ihn direkt und fast fürsorglich an:

„Ja – es ist schon bedauerlich, oder? Auch als Mrs. Tucker die Polizei einschaltete, gehörte alles zum Plan. Irgendwie musste ich dein Drogenlager aufdecken. Du wurdest uns ein wenig zu sicher, wenn du verstehst, was ich damit sagen will. Irgendwie ist es schon bemerkenswert, wie ein Schicksalsschlag und die Not, die daraus entsteht, dich zum perfekten Verbrecher machten.“

„…dass ich diesen Bullen erschossen hatte…“, begann Alex stotternd den Satz.

Wayne lachte auf und beendete den Satz: „…war der einzige unberechenbare Knackpunkt meines Planes. Zum Glück war Ashmoore schnell zur Stelle, um dich zu verhaften. Ich hätte umdisponieren müssen, wenn dir die Flucht gelungen wäre. Zum Glück kam es bekanntlich ja anders.“

„Wie…“, erwiderte Alex gebrochen, „wie soll es nun weitergehen?“

Wayne tat so, als dächte er angestrengt nach, danach tippte er einige Felder auf dem Pad an und zeigte Alex abermals das Display.

„Du hast die Wahl, Alex. Entweder das Video sehen die Geschworenen, wenn du abermals wegen Mordes vor Gericht kommst, oder du unterschreibst diesen Vertrag und begibst dich damit in die Hände meiner Forschungsarbeit. Wenn du dich für mich entscheiden würdest, dann hättest Du die Chance auf ein neues Leben – frei von Gefängnisfraß und Gittern – als Versuchskaninchen.“

„Klingt nicht unbedingt besser“, gab Alex schroff zurück.

„Sehen wir das mal so“, begann Arnold erklärend: „Als Patient oder Proband bei meinen Experimenten würde dir ein halbwegs erträgliches Leben zustehen. Wir könnten die Forschung in ein paar Jahren abgeschlossen haben und danach heißt es: neue Identität und neues, freies Leben. Die Alternative wären über fünfzig Jahre Haft. Hier in diesen kalten und kahlen Räumen. Also?“

Wayne sah fragend in die Augen von Alex. Dieser nahm den Pin vom Pad ab und setze diesen auf das Display. Er zögerte und verkniff die Augen. Er hatte das Gefühl, dass man ihn abermals in eine Falle lockte. Noah kam ihm wieder in den Sinn.

„Was ist mit Noah?“, wollte Alex wissen.

„Ah ja – dein Lover. Keine Sorge. Wenn Du diesen Vertrag unterschrieben hast, dann sorgt der Konzern dafür, dass man sich um ihn kümmert, zur Zufriedenheit aller.“

„Kann ich ihnen trauen?“

Von einem Moment zum anderen verschwand das selbstgefällige Lächeln Waynes.

„Du hast keine andere Wahl, fürchte ich. Wenn du es nicht tust, dann war es das mit einer Chance auf Freiheit. Doppelmörder verlassen den Knast erst wieder, wenn sie alt und grau sind – oder eben als Leiche.“

Alex schaute abermals auf das Display und bewegte den Pin, sodass die Unterschrift getätigt wurde. Mit einem leisen Piepton wurde die Eingabe bestätigt.

„Das war doch nicht so schwer, mein lieber Burton. Der Konzern wird sich um die Leiche von Amanda Watson kümmern. Schon Morgen werden Sie dann den Hood Laboren überstellt werden. Das Essen ist dort erheblich besser.“

Mit einem finsteren Lachen verließ Arnold Wayne den Sitzungsraum und ließ Alex Burton alleine mit der Leiche von Amanda Watson zurück. Tausende von Gedanken schossen durch das Hirn von Alex.

Ein paar davon waren mit Sorgen überhäuft. Sorgen um das Leben von Noah Johnson.

Einige davon waren mit Angst behaftet. Angst vor der Zukunft – Angst vor Arnold Wayne.

ENDE


Epilog:

Wayne nahm sein Phone und wählte eine Nummer. Es war die Nummer des Krankenhauses, wo sich derzeit Noah Johnson in Stasis befand. Nach kurzen Warten meldete sich ein unbekannter Teilnehmer am anderen Ende:

„Hat er es unterschrieben?“, fragte eine dunkle und tiefe Stimme.

„Was meinen Sie wohl? – Natürlich hat er unterschrieben. Meine Pläne klappen immer.“

„Sehr gut. Dann ist Alex Burton nun Teil Ihrer Forschung?“

Wayne ließ ein kurzes Glucksen ertönen: „Ohne dies hätte ich niemals diesen Umstand hier fabriziert. Ich denke, der Doktortitel wird mir sicher sein und der Abschluss meines Studiums ebenso.“

„Was soll mit Noah Johnson passieren?“

„Ich denke,“ fing Wayne den Satz an, „Alex wird seinen Freund nie wiedersehen. Dafür sind die Experimente zu langwierig. Schalten Sie den Stasistank ab und lassen Sie anschließend die Leiche verschwinden. Kein Wort zu niemanden. Es soll so aussehen wie ein Unfall. Haben Sie mich verstanden?!“

Nach einer kurzen Stille am anderen Ende ertönte abermals die dunkle Stimme:

„Ja – alles wird in die Wege geleitet. Wir haben verstanden.“


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  • Übernommen am: 22.04.2021 12:20
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reihe/cyberpunk-red_alert/alex_burton.txt · Zuletzt geändert: 23.04.2021 09:28 von hikaru_mitena