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Cyberpunk - RED Alert - Justin Jefferson

Der Tag, an dem Justin Jefferson starb

Erster Akt

Department Blue – John Ashmoores und Justin Jeffersons Büro – 22. Juli 2072, 08:49 Uhr Ortszeit

„Also gut, Mrs. Tucker, dann werden wir eben kurz vorbeikommen und diese ungewöhnlichen Geräusche untersuchen. Ich werde sofort meinen Partner mobilisieren, dass er schon einmal den Wagen vorfahren wird. Wir sind dann in 20 Minuten bei ihnen.“

Sichtlich genervt legte John Ashmoore den Hörer seines altmodischen Telefonapparates auf die dafür vorgesehene Gabel und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Wange. Es war ein heißer Julitag und die Sonne schien ohne Unterlass. Nicht eine Wolke war am Himmel über Helligenstadt zu sehen. Sein Partner saß ihm direkt gegenüber und musterte die neusten Meldungen aus dem Cybernetzwerk, dass für viele Bürger der großen Millionenmetropole eine Normalität geworden war. Die dazugehörigen Cybernetz-Brillen waren ein Muss, um in dieses Netzwerk einzutauchen, um damit zu agieren. Als Ashmoore sich widerholt und auffällig räusperte, legte sein Partner die Brille beiseite und suchte den direkten Blickkontakt.

„Wieder diese Tucker?“, fragte sein Partner gereizt. Ashmoore nickte nur – dabei nahm er einen Schluck Kaffee aus seiner übergroßen Tasse. „Irgendwie scheint die ihr Leben nicht gerade im Griff zu haben, oder warum sind wir da fast jede Woche, um nach dem Rechten zu sehen?“, mit diesen Worten nahm Justin Jefferson seine Dienstpistole aus der Schublade und prüfte nach, ob noch genügend Patronen vorhanden waren. Ashmoore zog seinen Mantel an und zupfte die Manschetten zurecht.

„Keine Ahnung, Justin – ich denke einfach, sie hat permanent Angst vor irgendetwas, was in ihrer Nachbarschaft vor sich geht. Was es auch sei, wir müssen dem nun einmal nachgehen.“

„Gibt es keine anderen Polizisten in dieser verdammten Stadt?!“, fragte Justin wütend, dabei steckte er seine Dienstmarke in die Innentasche seiner schwarzen Bomberjacke; es war zwar nicht die offizielle Version von Dienstkleidung eines Sergeant, doch Justin liebte diese Jacke und trug sie bei jeder Gelegenheit, auch wenn es ein heißer Tag war wie heute. „Hast Du alles?“, fragte John etwas sarkastisch, ohne weiter auf die Ausdrucksweise seines Partners einzugehen. Ein letzter Blick auf die Uhr – „Ich denke schon“, erwiderte Justin.

Der Wagen lag in der Tiefgarage des Departments Blue, das im Westen von Helligenstadt ansässig war, direkt neben den Elektrowerken, nicht unweit von der Innenstadt entfernt. Es dauerte einige Minuten, bis der Lift die beiden Polizeibeamten nach unten beförderte – das Department war ein riesiger Metallbau, der so manches Hochhaus in der Nähe überragte. Es war eines der sichersten Gebäude in dieser Stadt, in dem zweitausend Polizisten ihren Dienst verrichteten. Mit einer kleinen Fernbedienung, die am Handgelenk von Ashmoore befestigt war, wurde der vorgefahrene silbergraue Porsche geöffnet. Es war eines der ersten vollkommen autonomen Fahrzeuge der Polizei. Es konnte von alleine fahren und fand immer seinen Weg durch die überfüllten Straßen dieser von Verbrechen und Korruption besudelten Metropole. Sicherlich gab es auch schöne Stellen in dieser Stadt, die einen Besuch wert gewesen wären, wenn Justin und John nicht gerade immer zu den Elendsvierteln gerufen würden. Ihr Revier war Old Dover Town, dass sich südlich vom Department befand. Hier herrschten häusliche Gewalt und Drogenschmuggel Tag für Tag, Nacht für Nacht. Die Bürger dort waren größtenteils Worker, also die unterste Schicht der Bevölkerung. Diese Menschen hatten gerade mal genügend Geld zur Verfügung, um sich ein Haus und die Droge Xenoph leisten zu können. Es war also kein Wunder, dass Verbrechen dort zur Tagesordnung gehörten. Im Gegensatz zum Stadtkern, der fast ausschließlich aus Wolkenkratzen bestand, waren die Gebäude in Old Dover Town eher Altbauten mit nicht mehr als zwei Stockwerken. Jede Menge Bars und Motels, die allesamt die Anwesenheit der Polizei nicht mochten. Es war nie einfach für die beiden Beamten gewesen, doch man musste sich eben auf diverse Bürgergruppen einstellen, um dort zu überleben, und dies konnten Justin und John fast perfekt.

„Ich dachte, Du hast mit dem Rauchen aufgehört, John?“ Verwundert bemerkte Ashmoors Partner, wie dieser aus dem Handschuhfach des Wagens eine Packung „West-Like“ hervorholte und sich genüsslich eine Zigarette in den Mund steckte. „Falsch gedacht, Justin. Sollte aber nicht dein Problem sein.“

„Das ist nicht gut für deine Gesundheit.“ – „Ach was,“ gab Ashmoore spöttisch zurück. „Dieses Xenoph soll aber gesund sein, oder was?! Denke an meine Worte, diese Pflichtdroge bringt uns alle noch ins Grab.“

„Immerhin soll sie die Konzentration schärfen und verleiht ein Glücksgefühl. Sonst wäre dieser nervige Job nicht auszuhalten“, beendete Justin diesen Satz, als der Wagen den gesicherten Ausgang der Tiefgarage erreichte. Eine Computerstimme schallte in das Wageninnere und forderte Identifikation. Justin und John zeigten ihre Dienstmarken ins rotleuchtende Kameraauge. Wenige Sekunden später öffnete sich die Stahltür der Tiefgarage und gab den Blick frei auf die verdreckte, aber moderne Straße. In der Ferne konnte man eine Katze hören. Noch weiter weg das Hupen einiger Autos, die abermals im täglichen Stau standen. Trotz dieses schönen Sommertages wollte einfach keine gute Stimmung unter den beiden Fahrzeuginsassen aufkommen. Beide glaubten abermals, dass sie vollkommen sinnlos wieder Mrs. Tucker aufsuchen würden. Es war allerdings ihr Job, und den wollten sie schon zur Zufriedenheit aller ausführen, so wie sie es vor dem Konzern einst geschworen hatten.


Old Dover Town – Badass-Street – 22. Juli 2072, 09:39 Uhr Ortszeit…

Die Fahrt verlief ereignislos. Je weiter sie Richtung Süden fuhren, desto älter wurden die Bauten von Einfamilienhäusern. Kaum zu glauben, dass die Stadtverwaltung hier nicht schon längst modernere Häuser errichten ließ. Weiter am Horizont konnte man am Meerufer einige Fabriken erkennen, die ihre giftigen Rauchwolken in den Himmel stießen. Es war John, der das Schweigen unterbrach: „Hier ist es… mal wieder. Badass-Street Nr. 102. Soll ich lieber gehen oder willst Du…“ Justin unterbrach: „Ja, geh Du lieber. Ich habe schlecht gefrühstückt, und wenn die Tusse meine schlechte Laune ins Gesicht gedrückt bekommt, dann wird sie wieder hysterisch und wir können sie den halben Tag beruhigen. Darauf habe ich echt keine Lust.“

Mit einem wissenden Lächeln stieg Ashmoore aus dem Wagen und ging eiligen Schrittes zur Haustür von Mrs. Tucker. Er kannte seinen Partner nur zu gut. Dieser war nicht gerade einfach im Umgang mit anderen Menschen. Es war überhaupt ein Wunder, dass Justin Jefferson eine Familie gründen konnte. Dabei meinte seine Frau immer, dass sie die einzige sei, die ihn wirklich verstehen würde. Als dann noch ihr Sohn vor sechs Jahren geboren worden war, schien das Glück für Justin kein Ende nehmen zu wollen. Er wurde dadurch etwas ruhiger, auch vorsichtiger. Wenn er früher einen Erpresser oder Dealer dingfest machen wollte, dann preschte er ohne jegliche Deckung hervor, um seine Gegner schnell zu stellen. Heute überließ er liebend gerne die Vorhut seinem Partner Ashmoore und agierte immer mehr im Hintergrund. Es machte John nichts weiter aus. Er selbst hatte keine Familie und machte sich bestenfalls um seinen schönen Mantel Sorgen als um sein eigenes Leben. Ashmoore war eher der knallharte Typ, wenn es um Ermittlungen ging. Er machte seinen Dienst immer zu 100% korrekt. Achtete Vorschriften und unterließ es immer wieder, zu emotional zu reagieren.

An der Tür angekommen, betätigte John den kleinen, grünen Knopf, der eine Klingel im Hausinneren aktivierte. Nach kurzen Momenten öffnete eine hagere, kleine Frau die Tür und blickte den Sergeant ängstlich an. Er erkannte die Dame sofort. Es war Mrs. Tucker. Doch dieses Mal schien sie wirklich in Angst und Sorge zu stecken.

Oh, gut, dass Sie gekommen sind“, begrüßte sie den Sergeant mit zitternder Stimme. Ihr war die Nervosität buchstäblich ins Gesicht geschrieben. „Ich dachte schon, Sie würden gar nicht mehr kommen, da ich schon öfter angerufen hatte.“

„Es ist mein Job, Mrs. Tucker“, sagte Ashmoore schroff und sah sich im Hausflur um. „Am Telefon sagten Sie, Sie hörten merkwürdige Geräusche? Ich bin hier, um sicherzustellen, dass auch wirklich kein Einbrecher im Hause ist, damit sie wieder beruhigt schlafen gehen können.“ John bemühte sich ernsthaft, einen normalen Ton an den Tag zu legen, was ihm immer schwerer fiel.

„Ich bin mir sicher, dass jemand im Keller ist, Mr. Ashmoore. Seit einigen Tagen habe ich das Gefühl nicht mehr alleine hier im Hause zu sein.“ – „Sie leben aber alleine?“, wollte Ashmoore wissen. „Ja – es ist sonderbar. Eigentlich ist da unten nichts außer einer Waschmaschine und ein paar Regalen.“

„Ok – Ich werde der Sache nachgehen, bleiben Sie bitte hier oben. Ich werde meinen Kollegen rufen, damit er auf sie aufpasst.“ In den Augen der kleinen Frau regte sich so etwas wie Dankbarkeit. John nahm währenddessen sein Funkgerät zur Hand und rief nach Justin, der sich mit einem lauten Knacken meldete: „Ja, John, was ist?“

„Bewege deinen Hintern hierher und leiste Mrs. Tucker ein wenig Gesellschaft. Ich muss mal eben im Keller nachsehen“, ein weiteres Knacken war zu hören und nach einem kurzen Moment der Stille folgte Justins Antwort: „Alles klar, John. Dann mache ich mich mal auf dem Weg.“

Die Kellertür war automatisch und öffnete sich, wenn eine Person in den Bewegungsmelder geriet. Recht praktisch, doch auch schon etwas in die Jahre gekommen. Überall an den Wänden und an der Tür selbst fand man Spuren von Rost. Einige Spinnweben überzogen die dunklen Ecken des langen Ganges, der immer weiter nach unten führte. Eine schwache Neonlampe spendete nur unzureichend Licht. John war es nicht ganz wohl dabei, diesen Keller zu untersuchen, daher ging er schnellen Schrittes voran. Am Ende des langen Ganges war eine einfache Holztür, die nur angelehnt war. Ashmoore umschloss den Türgriff und zog das alte Schätzchen ganz auf. Vorsichtig tastete er nach einem Lichtschalter – ihm kam es so vor, als wenn tatsächlich jemand hier im dunklen Kellerraum sei. Anscheinend hatte sich Mrs. Tucker nicht getäuscht und John wurde das Gefühl nicht los, dass hier unten mehr war als eine Waschmaschine und Regale.

„Justin? – Kommen!“, leises Rauschen, dann ein Knacken. „Ja, John?“

„Frage mal Mrs. Tucker, wann sie das letzte Mal hier unten war. Habe gerade den Lichtschalter betätigt, doch der scheint nicht mehr zu funktionieren. Der Raum bleibt stockdunkel.“

„Einen Moment, John.“ – Es dauerte ein wenig. Es waren nur Sekunden, doch Ashmoore kam es so vor, als wenn es Ewigkeiten dauern würde. In dieser Zeit nahm er seine kleine LED-Leuchte aus seinem Mantel und versuchte mit Hilfe eben dieser seine Umgebung genauer zu betrachten. Die kleine Lampe war zwar vom Handling her einfach zu bedienen, doch sie spendete nur sehr wenig Licht, kaum mehr als ein Feuerzeug. Daher war auch der Blickwinkel mehr als nur eingeschränkt und John konnte nur wenig erkennen.

„John!“, rief Justin plötzlich aus dem Lautsprecher des Funkgerätes. „Herr Gott noch mal! Erschrecke mich nicht so! Was gibt es?!“ – „Sorry – tut mir leid“, erwiderte Justin beklommen, „Ich wollte dich nicht erschrecken. Doch Mrs. Tucker war seit einer Woche nicht mehr in diesem Keller. Doch da schien die Deckenbeleuchtung noch zu funktionieren. Was immer auch dazu führte, dass die Lampe nicht mehr funktionierte – ungewöhnlich ist das Ganze schon.“

„Hatte ich mir gedacht. Na, dann bleibt mir nichts Anderes übrig, als mit meiner kleinen Taschenlampe hier den Raum zu durchsuchen. Warte auf weitere Meldungen von mir! Over!“

Der Kellerraum war mittelgroß, und im schwachen Schein der Taschenlampe konnte John erkennen, wo sich die Waschmaschine befand. Direkt neben der Maschine waren Körbe platziert, vermutlich mit Schmutzwäsche bestückt. Er verzichtete darauf, näher reinzusehen, da ihm ein übelriechender Gestank von Schweiß und Urin in die Nase kroch. Ashmoore drehte sich um und sah sich die andere Seite des Raumes an. Hier waren etliche befüllte Regale aufgestellt. Meist mit üblichen Haushaltswarenartikel gefüllt. Doch ein Regal war etwas anders als die anderen. Dort lagen merkwürdige Beutel rum, die mit einem weißen Puder gefüllt waren. Bei Aufnahme eines dieser „Päckchen“, sie waren kaum größer als eine Handtellerfläche, lief das unbekannte Pulver aus. Geistesgegenwärtig nahm John ein kleines Röhrchen aus seinem Mantel und entnahm eine Probe für das Labor. Er würde später noch Mrs. Tucker fragen, was dies sein könnte. Vielleicht war es auch nur Waschpulver, doch dafür war die Färbung recht ungewöhnlich. Er fegte seine Gedanken wieder beiseite und konzentrierte sich weiter darauf, den Raum zu untersuchen, dabei hörte er ein leises Gurgeln, dass von den Wasserrohren zu kommen schien, die über den Regalen angebracht waren.

John schreckte erst hoch, als er so etwas wie einen Schritt hinter sich hörte. Jemand anderes war hier im Kellerraum. Jemand – der sich bis jetzt nicht gezeigt hatte. War es Justin? Wenn er es wäre , dann hätte er doch was gesagt, oder? Ashmoores Instinkt war in Alarmbereitschaft. Er drehte sich um und beleuchtete, so gut es eben ging, den Raum. Nichts war zu finden. Doch dieses Schrittgeräusch war real, oder doch nicht?

Ein Knacken und ein kurzes Rauschen, dann meldete John sich bei Justin: „Hey Partner. Bist du zufällig hier unten?“

„Was? Was meinst Du? – Ich bin noch immer mit Mrs. Tucker hier oben. Was ist denn los bei dir da unten?“

„Keine Ahnung. Doch ich denke, ich bin nicht mehr alleine hier“, in Ashmoores Stimme lag ein Anflug von Unbehagen. Dies spürte Justin und antwortete schnell: „Soll ich runter kommen?!“

„Nein. Warte oben, bitte! Doch halte deine Waffe bereit! Wenn hier jemand ist, dann muss er zwangsweise die obere Kellertür passieren.“

„Alles klar, John. Ich warte hier.“ – Leises Knacken und dann wieder Stille.

Abermals kamen John die übelriechenden Körbe neben der Waschmaschine in den Sinn. Mrs. Tucker war seit einer Woche nicht mehr hier drin, und die Körbe waren groß genug, um einen menschlichen Körper zu….

Ein lautes Geräusch durchzog den engen Kellerraum und bestätigte, was Ashmoore vermutete. Es war noch jemand im Raum, der sich hier versteckt hielt. Mrs. Tucker hatte sich also doch nicht getäuscht. John zog seine Waffe und hielt die Taschenlampe in Richtung des Geräusches. Nur schemenhaft konnte er die schlanke Figur eines Mannes erkennen, der dabei war, den Keller fluchtartig zu verlassen.

„Halt! Bleiben sie stehen! Im Namen des Gesetzes!“, rief John mit deutlichen Nachdruck, doch als Antwort bekam er nur die Mündung einer Halbautomatik zu sehen – schnell duckte sich Ashmoore hinter eines der Regale, bevor er den ohrenbetäubenden Schuss hörte, der ihn nur um einige Zentimeter verfehlte. Das Zischen der vorbeifliegenden Kugel konnte Ashmoore geradezu spüren.

Weitere schnelle Schritte. Offenbar wollte sein Angreifer fliehen. Justin! – schoss es John durch den Kopf. „Justin! Schnell! Er ist auf dem Weg nach oben! Hörst Du? Ein unbekannter Mann kommt auf dich zu! Er hat eine Waffe und scheut sich nicht, diese auch einzusetzen!“

Kurzes Rauschen, bevor die Antwort von Justin kam: „Ok, John. Bin bereit!“

Kurzes Aufrappeln und Checken der Lage im Kellerraum. Als Ashmoore sicher war, dass hier unten nichts weiter Interessantes zu finden sei, hechtete er nach oben, dorthin, wo nun auch Justin war, um den Unbekannten zu stellen. So hoffte er jedenfalls.


Zweiter Akt

„Was ist passiert!? Mrs. Tucker? Wo ist mein Partner? Hören sie mich!?“ – John rüttelte verzweifelt die Schulter der am Boden liegenden Mrs. Tucker, die nur zögerlich wieder zu sich kam. Erst einige Momente später fiel ihm ein, dass er noch sein Funkgerät hatte. Hastig betätigte er die Sprechtaste – wohlwissend, dass die Reichweite dieser Standardgeräte sehr begrenzt war. Auch beim zweiten Versuch, Justin zu erreichen, kam nur ein leises Rauschen aus dem Lautsprecher. Entweder war Justin zu beschäftigt oder er war einfach zu weit weg – oder gar beides. Sorgen kamen in Ashmoore hoch. Dieser Unbekannte war gefährlich. Er hatte kaum diesen Gedanken zu Ende geführt, da fing Mrs. Tucker an zu reden. Erst benommen und dann immer klarer:

„Oh mein Gott… es war Alex“, verdutzt sah John sie an und fragte ungläubig nach: „Was?! Sie kennen die Person, die im Keller war?“

„Ja – es war Alex… Alex Burton. Ein Herumtreiber in dieser Gegend, dem man nicht Gutes nachsagt. Aber nie hätte ich gedacht, dass er eine Waffe bei sich führt, und schon gar nicht, dass er in meinem Keller sich versteckt hielt.“

Ashmoore musterte das Röhrchen mit der Pulverprobe, die er im Keller entnommen hatte, und zeigte es Mrs. Tucker.

„Wissen Sie, was dies hier sein könnte? Da unten lagern mindestens ein Dutzend Beutel des gleichen Inhaltes.“

Mit verkniffenen Augen musterte Mrs. Tucker das Röhrchen – einen Moment später schüttelte sie energisch mit dem Kopf. Es war ihr anzusehen, dass sie nicht wusste, was dieses Pulver war. Ashmoore hatte auch nicht erwartet, dass sie überhaupt was von den Geschehnissen, die sich hier zutrugen, wusste, geschweige denn, was diese unbekannte Substanz in Wahrheit war.

„Na, dann hilft mir womöglich nur noch der Analysecomputer meines Wagens was, wenn Justin ihn nicht gerade in Beschlag genommen hat. Für Sie, Mrs. Tucker, besorge ich dann mal eben schnell einen Medi-Roboter – der wird sich um sie kümmern.“

Mit diesen Worten verließ John das Haus und trat auf die Straße. Er bemerkte, dass der Porsche immer noch da stand, wo er bei Ankunft abgestellt wurde. Justin verfolgte also diesen Alex Burton zu Fuß, schoss es Ashmoore durch den Kopf. Mit einem Knopfdruck öffnete sich die Fahrertür und gab den Blick frei auf die Armaturenfläche. Er griff nach seinem Mobil-Phone, dass er neben das Lenkrad geklemmt hatte, und verständigte die Ambulanz von Helligenstadt. Es würde keine fünf Minuten dauern, bis ein Medi-Roboter hier angeflogen käme, um Mrs. Tucker zu versorgen. Das Notfallsystem für medizinische Zwecke funktionierte reibungslos. Als nächstes legte er das Röhrchen mit der Probe in das kleine Analysegerät unterhalb des Handschuhfachs. Es war darauf eingestellt, unbekannte Substanzen schnell zu analysieren. Dieser Vorgang würde nur wenige Augenblicke dauern, wenn dieses Pulver eine bekannte Zusammensetzung hätte. In der Zwischenzeit betätigte Ashmoore noch einmal sein Phone und rief die Nummer seines Partners an – er rechnete aber nicht damit, dass Justin rangehen würde; - wenn er einen Täter verfolgte, dann blieb ihm wahrscheinlich nicht die Zeit dafür, Anrufe entgegenzunehmen. Ein unmittelbares Klingelgeräusch in der Nähe von John bestätigte seine Vermutung. Aus welchem Grund auch immer hatte Justin sein Phone im Wagen gelassen. Es befand sich in der Seitentasche der Beifahrertür.

„Verdammt“, entfuhr es Johns Lippen. „dann habe ich jetzt keine Möglichkeit, Justin irgendwie zur Hilfe zu kommen. Warum hat man ein Mobil-Phone, wenn man es nie mitnimmt? Aber warte mal…“

Ashmoore nahm eine der beiden Cyberbrillen vom Rücksitz des Wagens und setzte diese auf. Das war die letzte Möglichkeit, Justin doch noch aufzuspüren, denn wenn dieser seine Polizeimarke bei sich führte, und dies tat er immer, dann könnte er mit Hilfe des Cybernetzes den momentanen Aufenthaltsort seines Partners ermitteln. Nach dem kurzen Login poppte die Karte von Helligenstadt auf. Suchmuster wurde per Stimmeingabe gestartet. Wenige Sekunden später nahm John die Brille wieder ab.

„Er ist in der Old Dover-Station. Nur einen Kilometer von hier entfernt.“ Seine Gedanken wurden vom Ergebnis der Analysemaschine unterbrochen. Eine verzerrte Computerstimme gab das Ergebnis bekannt: „Analyse abgeschlossen. Ergebnis: Methamphetamin – synthetisch Formel: C10H15N – umgangssprachlich auch Crytal Meth – seit Beginn dieses Jahrhunderts ist Vertrieb verboten worden und vom Konzern nicht autorisiert.“ – Ein kurzer Piepton gab das Ende des Ergebnisses bekannt.

Alex Burton war also ein Drogendealer oder vielleicht noch was Schlimmeres? Es blieb keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, denn jede Sekunde war jetzt schon eine zu viel. Jedes Zögern würde bedeuten, dass Justin in Lebensgefahr schwebte. Die Wagentür schloss sich und unter einem lauten Aufheulen des Motors fuhr Ashmoore in Richtung der Old Dover-Station.


Old-Dover Station –Gleis 3 – 22. Juli 2072, 10:08 Uhr Ortszeit…

Justin verfolgte Alex Burton durch sämtliche Seitengassen und engen Straßen von Old Dover Town, dabei musste er bissigen Vorstadthunden und fauchenden Katzen ausweichen und rutschte beinahe auf einer Bananenschale aus. Doch er verlor sein Ziel nicht aus den Augen. Zwei Dinge spornten ihn an, den Unbekannten zu erwischen. Einmal die Tatsache, dass dieser versuchte, seinen Partner John Ashmoore zu töten; und dann, dass er einfach von so einem Lederjackenpunk überrumpelt wurde. Zwar stand Justin bereit, diesen in der Wohnung von Mrs. Tucker zu stellen, doch der Flüchtende blies ihm eine Ladung weißes Pulver mit kleinen Glasscherben ins Gesicht. Es dauerte ein wenig, bis Justin sich sicher war, alles aus seinem Gesicht entfernt zu haben – anschließend nahm er die Verfolgung auf.

Die Pistole geladen und im Anschlag, jagte er den Verdächtigen bis zur Old Dover Station, der um diese Tageszeit nur mäßig von Passagieren besucht war. Viele duckten sich willkürlich in die Ecken des großen Bahnhofsgebäudes, als sie Justins Waffe sahen. Wahrscheinlich dachten alle an einen Attentäter oder Terroristen, der hier ein wenig Amok laufen wollte. Erst später erkannten sie die Polizeimarke, die Justin auf seiner Brust offen trug.

Alex Burton rannte so, als wenn es um sein Leben ginge. In gewisser Weise stimmte dies auch. Drogendealer, die nicht vom Konzern autorisiert wurden, erwartete bei einer Festnahme eine lebenslängliche Strafe von mindestens 25 Jahren Gefängnis. Er wusste dies nur zu gut, und so versuchte Burton schnell eine der U-Bahnen zu erwischen. Im Trubel der Menschen würde er unerkannt verschwinden können, so war jedenfalls sein Plan.

Am Gleis Drei angekommen machte Justin Jefferson ihm einen Strich durch sein Vorhaben. Durch eine Abkürzung konnte Justin früher an das besagte Gleis gelangen und erwartete den kleinen, hageren Dealer mit erhobener Waffe, dessen Mündung nun auf dessen Kopf gerichtet war. Doch auch hier war der Gangster vorbereit. Zunächst ließ er Justin im Glauben, er hätte gewonnen, und baute sich mit erhobenen Händen vor dem Polizisten auf:

„Was hast Du jetzt vor, Bullenschwein!?“, provozierend fing Burton an zu grinsen.

„Zunächst möchte ich, dass Du Ratte deine Waffe mit zwei Fingern hervorholst und diese langsam auf den Boden legst. Danach schiebst du sie zu mir rüber! Wird es denn bald mal was?! Waffe auf den Boden und zu MIR rüber!“

Alex tat, wie ihm befohlen. In Gedanken allerdings suchte er nur noch einen richtigen Moment, um sein Gegenüber aus der Fassung zu bringen. Er wollte die Kontrolle über diese Situation wiedererlangen. Er wusste allerdings auch, dass Justin auf Zeit spielen konnte. Je länger sie beide hier waren, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass der Bulle vor ihm Verstärkung erhalten würde, von wem auch immer.

„Hey Bulle – hier liegt nun meine Waffe! …“

„Zu mir rüber, du Arschloch!“, erwiderte Jefferson mit wütenden Nachdruck.

„Eine Frage,“ sagte Burton mit einem boshaften Lächeln, „Ich kenne dich irgendwoher.“

„Was soll das?! Waffe rüber! Du…“, Justin wurde jäh unterbrochen: „Du bist dieser Justin, stimmt´s? Justin Jefferson, oder? Bist oft in dieser Gegend mit deinem Partner, oder?“

„Entweder Du hältst jetzt die Schnauze und schiebst deine Waffe rüber oder ich hole mir sie und schlage dir die verdammten Zähne ein!“, Justin wurde immer ungehaltener, damit hatte Burton nur gerechnet.

Ein leises Lachen aus Burtons Mund war zu hören. Er freute sich offenkundig über dessen schroffen Befehlston. „Hahahaha – ich kenne dich und deine Familie. Besonders aber deinen Sohn – wie war noch sein Name? Ah ja… Jack, nicht wahr?“

Verblüfft und zornig zugleich blickte Justin in die blutunterlaufenden Augen seines Gegenübers. Zähneknirschend gab er nur widerwillig eine Antwort: „Was hat mein Sohn mit dir Abschaum zu schaffen? Er kennt dich nicht, dass weiß ich genau!“

„Er kennt mich nicht – da hast du Recht – doch ich kenne seine Schule und ihn. Jedenfalls einige seiner Klassenkameraden. Wäre doch echt schade, wenn dem Kleinen was passieren würde, oder? Vielleicht gebe ich ihm und seinen Freunden mal etwas von meinen „besonderen“ Süßigkeiten.“

„Was meinst Du?“, entfuhr es Jefferson hart, „was ist in deinen besonderen Süßigkeiten?! – Rede, du Wichser!“

„Hmmm. Ich denke, dein Kollege wird mein Lager im Keller von Mrs. Tucker gefunden haben und er wird auch die Substanzen dort bereits überprüft haben. Naja – da Du mich nun dingfest machen willst, kann ich es dir auch so sagen. Drogen, mein lieber Justin. Genauer gesagt: Crystal Meth. Er wird seine Freude daran haben, der Kleine.“

Innerlich bebte Justin vor Wut – alle negativen und nur erdenklichen Gefühle kamen in ihm hoch und er verspürte immer mehr den Wunsch danach, den Dealer, der nun vor ihm stand, einfach so zu erschießen. Er betätigte den Abzug seiner Pistole und rang um Fassung. Er war noch immer ein Hüter des Gesetzes und er durfte nicht einfach einen Bastard wie Alex Burton erschießen. Das wusste er und so konnte er nur noch einmal eindringlich auf die Waffe hinweisen, die noch immer vor den Füßen von Burton lag.

„Halte deine elende Fresse, du perverses Arschloch! Deine Waffe – sofort! Oder ich muss dich erschießen – damit würdest Du mir noch einen Gefallen tun. Wie krank muss man sein, um Kindern Drogen zu verabreichen?!“

Alex Grinsen wurde breiter. Er hatte Justin schon da, wo er ihn haben wollte. Er setzte jetzt alles auf eine Karte: „Okay – hier ist sie!“

Kaum hatte Alex die Worte ausgesprochen, trat er seine am Boden liegende Waffe in Richtung seines Gegenübers. Das tat er mit so viel Kraft, dass die Waffe wie ein Fußball in die Luft flog, sodass Justin für einen Moment unachtsam und mehr damit beschäftigt war, dem fliegenden Gegenstand auszuweichen, als weiter auf den Dealer zu zielen. Diesen Moment nutze Alex, um auf die Gleise zu springen, um zu flüchten. Schnell fing sich der Sergeant wieder und zielte erneut auf Alex, als dieser auf den Gleisen stand. Mit einem Schuss auf dessen Beine brachte er den Gangster zu Fall. Ein leiser Schmerzensschrei war zu hören. Eiligen Schrittes lief Justin an den Rand des Bahnsteiges. Abermals richtete er seine Waffe nun auf Burton, der blutend auf den Gleisen lag. Herausfordernd sah dieser hoch zu ihm: „Na, was ist?! Mach dem doch endlich ein Ende! Los!“

„Glaube mir! Das würde ich nur zu gerne. Doch ich bin nicht so ein verkommenes Stück Dreck wie Du.“

In der Ferne hörte man einen Zug heranrasen. Alex blickte sich um.

„Entweder die Bahn erledigt mich oder du erschießt mich einfach! Du hast die Wahl – oder willst Du mich retten?!“

In den Gedanken von Justin überschlugen sich die Möglichkeiten seiner wenigen Optionen. Er musste Burton retten, wenngleich dies gegen sein persönliches Ego ging. Er hasste diese Person mit allen Fasern seines Herzens, dennoch musste er ihn retten.

„Hier, nimm meine Hand!“, rief Jack zu Alex runter, die Pistole noch immer in der Hand auf dessen Kopf richtend.

Es dauerte einige Sekunden, doch letztendlich gelang es Justin, den verletzten Burton wieder auf den Bahnsteig zu heben, noch bevor der Zug an beiden vorbeirauschte.

„Justin – das hättest Du nicht tun sollen…“, sagte Burton hämisch, und wieder fing er an zu lächeln.

„Was? – Du bist verhaftet. Du hast das…“ Justin konnte den Satz nicht mehr zu Ende sprechen. Das Letzte, was er noch hörte, war ein hallender Knall, ausgelöst von einer kleinen Handfeuerwaffe, die Alex Burton die ganze Zeit über in einem seiner Jackenärmel versteckt gehalten hatte. Ein verborgener Mechanismus ließ diese Waffe in die Hand des Dealers springen, sodass Justin nicht mehr die Möglichkeit hatte, auszuweichen. Die Kugel traf ihm in den Hals und ein metallischer Geschmack machte sich im Mund des Polizisten breit. Das Letzte, was Justin noch erkennen konnte, war das hagere, lächelnde Gesicht des kleinen Gangsters, das mehr einem Totenkopf glich. Er fiel zur Seite und ließ dabei seine Dienstwaffe auf die Gleise fallen.

Die Menschen auf den Bahnsteigen und Treppen, die nach oben in die Bahnhofhalle führten, hielten alle den Atem an. Jeder konnte diesen lauten Schuss hören und alle verfolgten eher passiv das ganze Geschehen, das sich am Gleis soeben zugetragen hatte. Alex Burton rappelte sich humpelnd auf und wollte zu seiner Waffe gehen, um diese aufzunehmen, doch der Fuß einer anderen Person versperrte ihm den Weg. Als er aufblickte, konnte er in die Mündung einer weiteren Dienstwaffe sehen. Es war die Waffe von John Ashmoore, der schweißgebadet und mit entschlossenem Blick in das erstarrte Gesicht des Dealers blickte. „Alex Burton – Sie sind verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen, alles, was Sie jetzt sagen, kann und wird vor Gericht gegen sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Wenn Sie sich keinen leisten können, wird ihnen vom Konzern einer gestellt werden. Haben Sie meine Worte verstanden?! – Wenn es nach mir gehen würde, dann würdest du hier und jetzt das Zeitliche segnen – also versuche nur abzuhauen – doch ich denke, dann hast du ein weiteres, schönes Loch zwischen deinen Augen… Scheißkerl!“

Der Medi-Roboter, der auf dringliche Anforderung von Ashmoore hergeflogen kam, konnte nur noch den Tod von Justin Jefferson feststellen. Als weitere Beamte am Tatort eintrafen, kümmerte sich John erstmals um den Leichnam seines langjährigen Partners. Tränen entwichen seinen Augen, als er in die noch geöffneten Augen seines toten Kollegen blickte. Sie waren ausdrucklos und matt. Keine Regung war mehr in seinem Gesicht zu erkennen. Ein kleines Einschussloch war an dessen Hals zu erblicken, direkt unterhalb des Adamsapfels. John schluchzte auf und musste von einem weiteren Beamten gehalten werden, damit er nicht auf dem Bahnsteig zusammenbrach. Heute hatte John Ashmoore mehr als nur einen Kollegen verloren, es war mehr wie ein Freund, der von ihm gegangen war, und das für immer.


Dritter Akt

Lower Eastside – 2 Stunden später – Mainstreet Two –Justin Jeffersons Wohnung…

„Wo ist es passiert?“, fragte Melissa Jefferson, die Ehefrau von Justin, als John Ashmoore ihr die traurige Nachricht brachte. Nur zögerlich und mit gebrochener Stimme konnte John ihr antworten:

„Old Dover Station“ – die Spurensicherung ist noch vor Ort – denke, die werden die persönlichen Sachen von Justin morgen vorbeibringen, hängt davon ab, wie schnell die im Labor sind.“

„Was soll das jetzt noch bringen? Du warst doch Zeuge dessen oder, John?“, wollte Melissa wissen.

„Ich kam leider zu spät. Als ich das Gleis erreichte, hatte Burton schon den Schuss abgegeben und sich wieder aufgerappelt. Ich konnte nur noch verhindern, dass er sich seine Waffe nehmen und verschwinden konnte.“

Melissa fing wieder an zu weinen, als sie sich die Situation im Geiste zum wiederholten Male vorstellte. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich beruhigt hatte. Dabei fiel ihr Blick auf das Kinderzimmer von Jack. Ashmoore folgte ihrem Blick und versuchte einen ruhigen Ton anzustimmen:

„Was meinst Du? Wird er es verstehen? Ich meine, er ist erst sechs Jahre alt. Doch er wird es auch merken, dass sein Vater nicht wieder nach Hause kommen wird.“

Melissa sah auf und musterte John intensiv: „Er wird es verstehen müssen. Wie wir alles es verstehen lernen. Es wird hart für ihn sein. Andere haben noch ihre Väter – besonders die Kinder in seiner Klasse. Mir wird nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass Jack ebenso werden wird wie sein Vater.“

John stand auf und ging zum Fenster, das einen Blick auf die Hochhäuser von Helligenstadt offenbarte, dessen Scheiben die Nachmittagssonne reflektierten. Gedankenverloren sprach er mehr zu sich selbst als zu Melissa in diesem Moment: „Ich kenne die Bewunderung des kleinen Jack Jefferson für die Polizei und seinen Vater. Er war immer stolz darauf, dass sein Vater bei der Polizei war. Darum gebe ich dir ein Versprechen, Melissa.“

Die junge Mutter sah zu John hoch: „..und das wäre? Was hast du vor?“, fragte sie neugierig.

„Sofern Jack jemals bei der Polizei sein wird. Sofern er die Akademie schafft, meine ich natürlich nur. Solange werde ich alles daran setzen, dass ihm nichts passiert – ich werde ihn beobachten, Melissa, und mache dir keine Sorgen, ich möchte ebenso wenig wie Du, dass ihm das Gleiche passiert wie seinem Vater. Doch er soll es auf keinen Fall merken. Er soll nicht merken, dass ich persönlich was damit zu tun habe, dass er möglichst einen angenehmen Job hat, verstehst du!?“

Melissa nickte nur stumm. Beide sahen sie nun aus dem Fenster. Beide blickten mit Sorge, aber auch mit Zuversicht in die Zukunft dieser verrückt gewordenen Welt. Der Welt von Helligenstadt. Irgendwann würde der Tag kommen, an dem aus dem kleinen Jack Jefferson ein Polizist werden würde. Es würde der Tag kommen, an dem man ihm alles erklären müsste. Doch – so hofften beide – dass diese Zeit noch lange auf sich warten ließe.

ENDE


  • Ursprung:
  • Übernommen am: 22.04.2021 11:55
  • Vertonungen:
reihe/cyberpunk-red_alert/justin_jefferson.txt · Zuletzt geändert: 23.04.2021 09:28 von hikaru_mitena