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Tod den Sündern

Übersicht - Redbird

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Stehe am Rande einer Klippe irgendwo in den Neuengland-Staaten von Amerika und blicke auf das Dorf New Zion vor mir. Betrachte das Dorf mit rund 300 Einwohnern von meiner erhöhten Position aus. Habe extra gewartet, bis es Herbst ist, damit es schneller dunkel wird und auch länger bleibt. Thomas wird nicht begeistert sein, wenn er erfährt, dass ich seinen Befehl, das Hauptquartier nicht zu verlassen, missachtet habe. Es gibt kaum Straßenlaternen, die den Gehweg beleuchten. Der Wind wird stärker, wirbelt meinen Umhang leicht umher, entblößt meine dämonische Erscheinung, die von einem roten Hemd teilweise verdeckt wird, und trägt den Geruch von Regen zu mir. Aus westlicher Richtung kann man es in der Ferne donnern hören. Es wird wohl ein kleinen Sturm geben. Scheint so, als würde Mutter Natur mein Vorhaben unterstützen wollen. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. Innerhalb weniger Minuten ist der Himmel von dunklen Wolken umhüllt. Belege die Kinder mit einem Bann, durch den sie erst übermorgen aufwachen werden.

Entschlossen porte ich mich in das erste Haus. Stoße einen Gegenstand um, damit ich die Aufmerksamkeit der Eltern errege, die unten im Wohnzimmer sitzen. Verstecke mich schnell in einem anderen Zimmer, in dem kein Licht brennt. Die Mutter kommt die Treppe hoch, um nach dem Grund des Geräusches zu sehen. Bevor sie das Zimmer betritt, schnelle ich aus einer dunklen Ecke hinter ihr hervor und schlitze ihr mit meinen Krallen die Kehle auf. Von unten ertönen die besorgten Rufe ihres Mannes, kurz darauf kommt auch er die Treppe hochgerannt. Gerade als er auf mich zurennen will, porte ich mich hinter ihn und breche ihm das Genick. Die Frau, die noch um ihr Leben kämpft und mit aller Macht versucht, die Wunde an ihrem Hals zusammenzuhalten, blickt mich mit vor Angst geweiteten Augen an. Lässt auf einmal von ihrem Hals ab und ballt ihre Hände zu Fäusten. Sie hat mich wohl erkannt. Kichere amüsiert und beuge mich über sie. „Ihr sollt alle in der Hölle brennen“, flüstere ich ihr sanft zu, bevor ihr Körper erschlafft. Will den Kindern nicht ein Leben aufzwingen, in dem sie jeden, den sie liebten und mochten, verstümmelt vorgefunden haben. Deswegen habe ich die Kinder mit diesem Schlafbann belegt. Das müsste denjenigen, die die Leichen wegräumen, genug Zeit geben, damit die Kinder nichts davon mitbekommen.

Alle die ach so frommen, anständigen und unschuldigen Erwachsenen sollen sterben. Bilder blitzen vor meinem geistigen Auge auf, darüber, wie eine Gruppe Männer aus dem Dorf mitten in der Nacht in unser Zuhause gestürmt ist. Ich wurde aus meinem Bett gezerrt und mit Mutter zur Kirche gebracht. Dort waren alle anderen bereits versammelt, der Pfarrer stand auf den Treppen zur Kirche. Er predigte und versprach ihnen, sie von der „Dämonin„, die dem Teufel dient, und der „Teufelsbrut“, die aus diesem Unheiligen Bund entstand, zu befreien. Es würde sie alle vor der Hölle retten. Erinnere mich daran, dass ein Junge aus der Menge hervortrat und mit einem Knüppel auf meinen Schädel einschlug. Niemand der Anwesenden hielt ihn davon ab, die Erwachsenen schritten erst ein, als der Pater sie dazu aufforderte. Sie wichen zurück, als sie mich in meiner dämonischen Gestalt auf dem Boden sahen. Sie überschütteten mich mit Weihwasser, in der Hoffnung, dass es mich reinigen würde. Meine Mutter versuchte sich loszureißen von den beiden Männern, die sie festhielten und meine Flügel mit der…

Muss mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Schüttle meinen Kopf, um die Bilder zu vertreiben. Sie werden heute für all das bezahlen.

So porte ich mich weiter von Haus zu Haus und töte jeden dieser bigotten Unmenschen. Mensch um Mensch stirbt in diesem Dorf, und der Sturm erstickt die Schreie, die einen Nachbar auf die Geschehnisse aufmerksam machen könnten.

Blutbedeckt porte ich mich in das Haus des Paters, wecke ihn durch das Klappern von Geschirr in der Küche auf und porte mich nach draußen in das Unwetter. Laufe entspannt auf die Kirche zu, die an das Haus grenzt. Mit dem Schlüssel, den ich von den Informanten habe, öffne ich die Tür und lasse sie hinter mir ins Schloss fallen. Gehe an den Bankreihen vorbei, vor dem Rednerpult gehe ich auf die Knie und nehme eine betende Haltung ein. Wie erwartet hat mich dieser Pseudoprediger in die Kirche gehen sehen und kommt durch die Tür zu meiner Linken auf mich zu. Doch bleibt er in „sicherer“ Entfernung von mir stehen. „Tut mit leid, die Kirche ist geschlossen“, spricht der untersetzte, grauhaarige Mann mit ruhiger Stimme. Abscheu und Zorn überkommen mich, zittere vor unterdrückter Wut. Unterstreicht meine brodelnden Emotionen. Atme tief durch, bevor ich zu sprechen beginne, „Ich bitte um Verzeihung, doch möchte ich nur einen Moment für die Seelen beten, die in der Hölle endlose Qualen erleiden für die Sünden, die sie begangen haben.“ Kann geradezu spüren, wie er von Mitgefühl und Freude erfüllt wird. Nur noch einen Moment, spreche ich mir in Gedanken selbst gut zu. Mit weiteren, kleinen Schritten beginnt er sich mir zu nähern. „Das ist sehr lobenswert, dennoch sollten Sie lieber nach Hause gehen. Sie haben sicher jemanden, der sich um sie sorgt“, spricht er in tröstlichem Ton und legt seine Hand sanft auf meine Schulter. „Nein. Habe ich nicht“, erwidere ich kühl und richte mich langsam wieder auf. „Denn jemand hat meine Mutter geopfert, um sein eigenes Leben zu retten„, spucke ich angewidert jedes Wort dem Pater entgegen.

Ein Blitz erhellt die Nacht und fällt durch das Buntglasfenster auf uns beide. Augenblicklich weicht alle Farbe aus seinem Gesicht. Entsetzt stolpert er zurück, fällt über die eigenen Füße und landet auf dem Hintern. Sofort fließt aus jeder einzelnen Pore Schweiß, lässt seinen ohnehin schon widerlichen Geruch noch ekliger und penetranter werden. “W-weiche Dämon, verlasse diese heilige Stätte!„, brüllt er mit einem Zittern in der Stimme. Schreite unbeeindruckt auf ihn zu. Er krabbelt auf allen Vieren auf die Tür zu, durch die er eben gekommen ist. Porte mich direkt vor ihn hin, woraufhin seine Augen sich noch mehr zu weiten scheinen. “Sieh es ein, Pater…„, beginne ich mit überaus ruhiger Stimme. “Du warst damals auch nicht in der Lage, die Kreatur, die sich Zutritt verschafft hatte, zu vertreiben - und nicht nur das: Du hast ihren Worten Gehör geschenkt, meine Mutter Reva und mich mit Hilfe der anderen aus dem Dorf gejagt. Du hast uns direkt in ihre Arme getrieben, nachdem wir uns befreit hatten. Wäre Mutter nicht so mächtig gewesen, hätte die Kreatur mich in dem Felsspalt entdeckt. Er wollte eigentlich mich, und als er sie angriff, wollte ich zu ihr aus dem geschützten Spalt. Doch konnte ich nicht hinaus. Ich musste mit ansehen, wie er sie getötet hat! Als das Wesen weg war, lösten sich beide Zauber auf, und ihr seid kurz darauf aufgetaucht. Habt auf mich eingeprügelt. Wie ich später erfahren durfte, hast du genau das getan, was er wollte. Um dich für das, was du früher getan hast, von der Hölle freizukaufen. Glaubst du wirklich, das du und der Rest des Dorfes dadurch sicher vor der Hölle seid? Wann hatten wir euch je etwas getan, Pater?„, ende ich meine Erklärung. Er scheint jedoch von irgendwoher neuen Mut zu fassen und starrt mich hasserfüllt an.

Du und deine Mutter sind die Ausgeburt des Bösen. Sie hätte solch eine Abscheulichkeit wie dich nicht mal zur Welt bringen dürfen. Aber was will man anderes von einer dreckigen Dämonenhure erwarten!„, faucht er mich vom Boden aus an. Erstarre. Das hat er nicht gerade ernsthaft gesagt? Knurre, während ich völlig von meiner Wut vereinnahmt werde. „Und was will man von einem Menschen erwarten, der nur seine eigene Haut retten will?! Lässt andere sogar einem 9 Jahre altem Kind bei lebendigem Leibe die Flügel absägen! Für euch scheinheiligen, puritanischen Heuchler sind doch alle Dämonen gleich! Es interessiert euch doch gar nicht, dass wir dafür gesorgt haben, dass auf der Erde nicht so viele gepeinigte Seelen existieren! Wir haben nichts anderes getan als eure geheiligten Engel. Die, nebenbei erwähnt, die Seelen, die wir in die Hölle schleifen, nicht mal mit einer Kneifzange anfassen würden! Wir. Hatten. Euch. Nie. Etwas. Getan!“, schreie ich mit ungezügelter Wut dem Pater entgegen. Er pisst sich aus Angst in die Hose. Verziehe das Gesicht vor Ekel. Zitternd steht er auf und versucht, Abstand zu gewinnen. Sein Blick wandert zu der großen Flügeltür der Kirche. So schnell ihn seine Beine tragen können, rennt er darauf zu. Atme tief durch, um meine Wut zu zügeln. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich mich ihm in den Weg stelle. „Du kannst bei dem folgenden ohne jede Bedenken so laut und so viel schreien, wie du möchtest, Pater“, erkläre ich ihm süffisant. „Denn es gibt in diesem Dorf niemanden mehr, der dich hören könnte.


Sitze glückselig auf dem marmornen Altar, auf den früher die Kelche gestellt wurden, in denen Traubensaft oder Wein war, die an alle herumgereicht wurden, damit jeder einen kleinen Schluck davon trinkt. Mein Blick ist weiter auf das große Kreuz gerichtet, welches unterhalb des Buntglasfensters angebracht ist. Am Kreuz hängt ein menschlicher Körper, und die Bankreihen sind mit den Leichen der Dorfbewohner gefüllt. Am Leib des Paters sind unzählige Schnitte an Armen und Beinen zu erkennen, die Finger abgetrennt, der Großteil der Haut im Gesicht und am Torso fehlt. Der Körper ist wie bei einer Obduktion von den Schulterblättern bis zum Bauch runter aufgeschnitten, und der Darm hängt, mit einigen anderen Organen, aus der Bauchhöhle heraus.

Der Sturm ist inzwischen vorbei und der Kirchenraum so still, dass ich das Blut hören kann, das aus den Leichen auf den Boden tropft. Zwischen mir und der ausgeweideten Leiche des Paters steht eine kleine Metallschüssel auf dem Boden, in der die verkohlten Reste mehrerer Finger und eines menschlichen Herzens liegen. Der süßliche Geruch verbrannten Fleisches hängt noch immer in der Luft. Spüre ein Prickeln im Nacken und höre darauf ein erschrockenes Keuchen hinter mir. Betrachte die Fleischmasse vor mir noch ein letztes Mal ganz genau, um mir alles einzuprägen.

Danach erst schenke ich dem Logenmitglied, das in Begleitung eines Informanten aufgetaucht ist, Beachtung. Blankes Entsetzen steht dem Mann ins Gesicht geschrieben, und er wirft dem Informanten immer wieder einen Seitenblick zu, um sich zu vergewissern, dass er noch da ist. Lächle amüsiert über sein Verhalten und hebe langsam meine Hände, zum Zeichen, dass ich ihnen keine Schwierigkeiten bereiten werde. Die Bewegung lässt ihn dennoch leicht zusammenzucken, obgleich ich wieder von normalen Menschen äußerlich nicht mehr zu unterscheiden bin. Der Informant nickt nur stumm und bringt uns zurück in die Sichelloge.

*

Ist dir überhaupt bewusst, was du getan hast?!“, brüllt mich Thomas, der Anführer der Sichelloge und mein Adoptivvater, an. Sitze ihm ohne jedes Gefühl der Reue gegenüber und beobachte jede seiner Bewegungen mit ruhiger Miene. „Nekromantie ist nicht so mein Fachgebiet, wenn du das angestrebt haben solltest“, gebe ich gelassen von mir. Der Blick, den ich daraufhin bekomme, könnte mir einen sehr qualvollen Tod bescheren - wenn Blicken töten könnten. Okay, sehr dünnes Eis, denke ich mir, als er wieder beginnt, aufgebracht in seinem Büro auf- und abzugehen. „Du hast dich nicht nur, gegen meinen ausdrücklichen Befehl, einfach so aus dem Staub gemacht, sondern hast auch noch ein gesamtes Dorf dem Erdboden gleichgemacht!“, keift Thomas und fährt sich durch sein blondes Haar. Verkneife es mir geflissentlich, ihn in der Sache zu korrigieren. Die nächsten zwei Stunden wandert er weiter in seinem Büro umher und macht seinem Zorn gegen mich Luft, ehe er sich resigniert in seinen Stuhl fallen lässt und mich zu „Hausarrest“ verdonnert, um sich dem von mir hinterlassenen Chaos zu widmen. Vor dem Büro warten zwei Gorillas Marke „Flusspionier“: dumm, stark, wasserdicht. Die mich zu meinem Zimmer begleiten, aus dem ich nicht einfach so entkommen kann. Zumindest lasse ich sie in dem Glauben.

Entspannt gehe ich in das Zimmer und warte darauf, dass meine Begleiter hinter mir die Tür schließen. Lasse seufzend meine Schultern kreisen, als die Tür verschlossen ist. Gehe ins angrenzende Bad und entledige mich meiner Kleidung. Nach einer ausgiebigen Dusche gehe ich auf das Bett zu, auf dem ein frisches schwarzes Hemd mit einer gleichfarbigen Hose bereitliegen. Im Geiste gehe ich diesen Abend noch einmal durch, während ich mir das Hemd anziehe. Ein Grinsen ziert erneut mein Gesicht, als ich die wimmernde und blutverschmierte Gestalt des Paters vor mir sehe. Rubble mit dem Handtuch, so gut es geht, meine Haare trocken. Etwas Gutes hat diese Maßnahme, wenn sie mich auf unbestimmte Zeit einsperren. Sie würden Alina schicken, um mich zu untersuchen, ob ich irgendwelche gravierenden Verletzungen habe. Seit 2 Jahren arbeitet sie nun schon hier und ist seither auch sowas wie meine persönliche Ärztin oder Pflegerin, je nachdem, wie man es betrachtet. Das wurde so entschieden, nachdem ich mich mehrfach geweigert hatte, die anderen, männlichen Ärzte mich untersuchen zu lassen. „Warum dauert das wohl so lange?“, frage ich mich, während ich die Tür ungeduldig fixiere und nervös mit einem Fuß wippe.


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Hikaru_Mitena

reihe/redbird/redbird_2.txt · Zuletzt geändert: 23.11.2020 08:47 von hikaru_mitena