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reihe:redbird:redbird_9

Sie sterben für Ihren Glauben

Übersicht - Redbird

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Werfe einen letzten Blick auf das mehr zweckdienliche Kleidungsstück, das man für ein Nachthemd halten könnte und kurz über meinen Knien endet. Als ich spüre, wie Melaphyr sich an meiner Schulter festhält, porte ich uns direkt zum Ort des Geschehens, während ich im selben Moment meine menschliche Erscheinung ablege. Von der steinernen Klippe aus blicke ich auf die Szenerie unter mir. Feuerschalen stehen im Kreis um die versammelte Menschenmasse und erhellen die Nacht. Ein Raunen geht durch die Menge, als der Priester in seiner auffälligen Robe ein Bündel hochhält. Melaphyr geht derweil, und während er hinunterklettert, verschwimmt seine Gestalt völlig mit den Felsen.

Ich lasse noch einige Augenblicke verstreichen, bevor ich mich direkt vor den Priester versetze, seinen Kehlkopf mit meinen Krallen zerfetze und ihm gleichzeitig das Bündel abnehme, dessen Inhalt er den Anwesenden zeigen wollte. Drehe mich grinsend zu der Menge. „Willkommen zu den Feierlichkeiten. Einziger Programmpunkt des heutigen Abends ist… euer Tod„, erkläre ich lächelnd. Sowie sie aus ihrer Starre erwachen, rennen alle schreiend weg, in den Wald hinein. Brauche mir keine Gedanken machen, greife einfach den Erstbesten an und breche ihm mit einem schnellen, geübten Griff das Genick. Lachend renne ich weiter, lasse meine Klauen durch Fleisch gleiten und tränke das „Nachthemd“ mit dem Blut meiner Opfer. Ein erschrockener Laut hinter mir lässt mich grinsend herumfahren. Die, die geflohen sind, kommen auf der anderen Seite des Waldes gerade wieder auf die Lichtung. Mit einem kindlich anmutenden Kichern porte ich mich direkt vor einen der ehrlosen Bastarde. Höre einen Schrei von einer anderen Seite der Lichtung. Als ich mich umdrehe, sehe ich einen Jungen mit weißen Haaren, einem roten Pullover und pechschwarzer Hose. Dazu trägt er ein Stirnband mit einer Stirnplatte, auf der ein rotes Auge eingeritzt ist. Er durchbohrt mit seinen schwarzen Echsenpranken einige andere von diesem religiösen Verein. Schnuppere in den Wind, der zu mir herüberweht. Interessant. Ein Mischling. Spüre, wie Metall meine Kleidung zerfetzt und meine Haut durchdringt. Schaue herablassend auf den Mann, der mich soeben mit seinem Messer angegriffen hat. Ziele mit Mittel- und Ringfinger auf sein Gesicht. Spüre, wie der Saft aus seinen Augen läuft, sich mit seinen Tränen und Blut vermischt. Genieße es, seine Schreie zu hören. Einige entleeren ihre Mägen, andere versuchen verzweifelt, wieder in den Wald zu flüchten. Werden nicht entkommen, solange Melaphyr seine Magie wirkt. Krümme meine Finger immer wieder und ziehe mit einem kräftigen Ruck meine Hand zurück. Betrachte das aufgespießte Augenpaar und verspeise es grinsend. Ist eigentlich nicht so meins. Nichtsdestotrotz verfehlt es nicht im Mindesten sein Ziel. Laufe auf eine junge Frau zu, die mich aus vor Panik geweiteten Augen ansieht und am ganzen Körper zittert. „Bitte nicht.„ Knie mich zu ihr und streiche ihr vorsichtig einige verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihr Körper ist dabei völlig verkrampft; das Zittern wird schlimmer, als ich sie dabei anlächle. „Verschone mich! Ich tue alles, was du willst.“ Mein Lächeln wird breiter. „Wirst du das?„ Als ob ihre Gelenke eingerostet sind, nickt sie schließlich. Gebe ihr das Bündel, das ich bis eben noch in der linken Hand haltend bei mir getragen hatte. „Pass darauf auf für mich, bis ich fertig bin!“ Erneutes mechanisches Nicken. Stehe auf und laufe entspannt in die Mitte der Lichtung. Das Weißhaar kommt mit einem Lächeln auf mich zu, wie es nur jemand haben kann, der sich im Blutrausch befindet.

„Lust auf etwas Spaß?„, frage ich den „Jüngling“ mit einem freundlichen Lächeln und deute auf die Verzweifelnden am Waldrand. In seinem Gesicht spiegelt sich deutliche Verwirrung wider und er folgt meinem Fingerzeig. Sein Grinsen kehrt breiter zurück, ehe er direkt losrennt und in den Schatten der Bäume verschwindet. Kurz überkommt mich eine Gänsehaut. Ich ignoriere es und picke mir noch Einige heraus, die ich auf direktem Weg in den Keller zuhause verfrachte. Für die Anderen sieht es einfach nur so aus, als würden die Personen sich in Luft auflösen. Schmerzerfüllte Schreie erwecken meine Aufmerksamkeit. Lasse meinen Blick nach rechts schweifen und sehe, wie der Weißhaarige einem älteren Mann den Arm abreißt. Sein Schrei wird nur von dem Lachen des Halblings übertönt. Da hat wohl jemand seinen Spaß. Weitere werden verstümmelt und anschließend getötet, während andere direkt in zwei Hälften gespalten werden. Mit der Zeit tötet er einfach nur noch jeden, der ihm unter die Augen kommt.

Nach einigen weiteren Toten sind von den ursprünglich 67 Sektierern nur noch 43 am Leben. Darunter die junge Frau am anderen Ende der Lichtung, die sich bisher immer noch nicht bewegt hat. Schwer atmend und dem Gesicht gen Himmel gerichtet steht er einfach da. „Und? Wieder etwas heruntergefahren?„, frage ich ihn und musterte seine Erscheinung nun eingehender. „Bist du auch ein Dämon? Warum lässt du sie am Leben?“, ist die direkte Gegenfrage, und er deutet beim letzten Satz auf die Frau. Weißes Haar? Check! Dämon-Mensch-Hybrid? Check! Provozierende Persönlichkeit? Check! Überragende Selbstheilungskräfte? Check! „Wie bist du denn nur darauf gekommen?„, frage ich mit übertriebener Verwunderung. Kichere aufgrund seines genervten Blicks, den ich abbekomme. „Ja, ich bin ein Dämon. Und sie brauche ich noch für andere Gelegenheiten“, deute mit einem Kopfnicken in ihre Richtung. Er grinst lediglich: „Und darf man die werte Dame fragen, was sich in dem Beutel befindet?„ - „Hat man dir schon mal etwas abgesägt? Nicht sonderlich angenehm. Kann es nicht empfehlen.“ Bedenke ihn mit einem emotionslosen Gesichtsausdruck. Er zuckt lediglich mit den Schultern. „Bisher nicht, aber selbst wenn - was soll's? Wächst eh wieder nach„, kommt es nur unbeeindruckt. Spanne meine Muskeln an. „Manches wächst nicht nach - bei anderen“, antworte ich, während mein Blick auf der Suche nach dem versprengten Rest durch den Wald schweift. Sein Blick wird nun etwas mitfühlender. „Sorry. Kann mir vorstellen, dass so was hart ist. Wer bist du?„ Spüre, wie meine Stimmung aufhellt, und schenke dem Halbling ein freundliches Lächeln. „Liliana! Nett, dich persönlich kennenzulernen, Saiko.“

Sein Blick ist unbezahlbar. „Woher weißt du, wer ich bin, Lili?„ Man sieht deutlich, wie er seine Muskeln anspannt, und sein bisher grünes rechtes Auge färbt sich schwarz - mit einer roten Iris. Interessant. Lege meinen Kopf schief, während ich sein Auge einen Moment kurz genauer betrachte. „Betriebsgeheimnis“, antworte ich lächelnd. „Warum hast du sie getötet? Ich meine… Jeder hat einen Grund, sowas zu tun.„ Nach diesem Satz blickt er kurz nach oben und legt den Kopf schief. „Ruhe da oben!“ Ignoriere seine Selbstgespräche. Stoße mich von dem Baum ab, an den ich mich gelehnt hatte, und porte mich so nah vor ihn, dass wir nur Zentimeter voneinander entfernt stehen. Blicke auf ihn hinab, während ein sanftes, violettes Licht von dem Kristall ausgeht. „Weil sie der Grund sind, warum ich so bin, wie ich bin. Sie haben eine Entscheidung getroffen, genauso wie ich. Ihr Glaube ist es, der ihren Tod besiegelt.„ Saiko beginnt zu lachen. Er scheint keinerlei Angst zu haben oder gar etwas zu befürchten. „Gute Einstellung. Wenn du dabei mal Hilfe brauchst, bin ich gerne dabei. Aber… solange du mich nicht küssen willst, würde ich es begrüßen, wenn du einen Schritt zurückgehen könntest. Bin so was nicht gewohnt“, haut er einfach mal so raus. „Kann man dich irgendwie erreichen?„ Bin für einen Moment überrascht. Ziehe die Augenbrauen hoch und trete ein paar Schritte zurück. Schenke ihm ein spitzbübisches Grinsen. „Sorry, aber du bist nicht mein Typ. Dir fehlt dazu das gewisse… Etwas“, tippe ihm beim letzten Wort demonstrative gegen die Brust. Mit sowas hat er nicht gerechnet, das sieht man ihm an. Aber er fängt sich sehr schnell. „Hoffe, du hast jetzt, was du brauchst. Auch wenn ich nicht dein Typ bin, hat es mir sehr viel Spaß gemacht. Kann man auch so mal wiederholen.„ Mit diesen Worten scheint er sich zum Gehen wenden zu wollen. Grinsend porte ich mich vor ihn und halte ihm im selben Augenblick ein Klapphandy direkt vor die Nase. „Man weiß ja nie. Falls du mal morden oder einen trinken willst.“ Perplex nimmt der Weißhaarige das Handy an und steckt es in seine Hosentasche. „W… wie hast du…?„, stottert er verwirrt und deutet zu der Stelle, an der ich eben noch stand. Kichere zu Anfang amüsiert, was dann in einem Lachflash endet. Nehme währenddessen langsam wieder meine menschliche Gestalt an. Sein Blick ändert sich. Abschätzend mustert er mich. Ein kurzes, amüsiertes Grinsen umspielt seine Lippen. „Teleportation. Das war das also… interessant.“ Er geht an mir vorbei und grinst mich ein letztes Mal an. „Bis zum nächsten Mal, Lili. Und pass auf dich auf!„ Ohne ein weiteres Wort verschwindet er im Schatten der Wälder. Muss mir auf die Lippe beißen, um keinen Laut von mir zu geben. Verstecke mich auf einem der Bäume und warte gespannt darauf, dass er wieder auftaucht.

Tatsächlich taucht er nach kurzem Warten wieder auf. Sofort realisiert er, wo er ist. Blanker Zorn steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Dein Ernst?!“, ruft er ins Nichts. Plötzlich wirbelt er herum, zieht ein Messer und wirft es in Richtung Melaphyr. Ein Schrei ist zu hören. Er scheint getroffen zu haben. „Wenn ich nochmal hier lande, dann setzt es was„, droht in die Richtung, aus der der Schrei kam. „Und du kannst auch rauskommen, Lili.“ Lachend lasse ich mich kopfüber vom Ast hängen. „O-okay Melaphyr. La-ass ihn gehen!„ Betrachte ihn amüsiert von meiner erhöhten Position und halte mir den Mund zu. Porte mich kichernd zu ihm und stoß ihn mit meiner Hüfte in die Seite. „Wo willst du denn hin? Wenn es weit ist, kann ich dich ja schnell hinbringen“, biete ich ihm an und sehe nun aus meiner leicht gebeugten Haltung zu ihm auf. „Kann nirgends hin. Wandere lieber umher. Es sei denn, du lässt mich bei dir übernachten„, lacht er mich nun verwegen an. „Hmmmm… höchstens, wenn du versprichst, meine Gäste im Untergeschoss nicht zu belästigen oder dergleichen“, antworte ich zwinkernd. Er schmollt kurz. „Find's zwar schade, aber versprochen„, gibt er schließlich sein Versprechen und reicht mir die Hand. Schlage ein und ein Zwinkern später stehen wir auf der Lichtung vor meinem Haus. Lasse los und verschränke die Arme hinterm Rücken. „Also, ich muss noch kurz etwas erledigen. Ich hoffe, du weißt, wie man sich anständig benimmt“, erwidere ich feixend. Er geht auf das Haus zu und hebt eine Hand über den Kopf. „Keine Angst, ich bin nicht anspruchsvoll. Gehe erstmal duschen. Wünsche dir aber noch viel Spaß.„

Damit lasse ich ihn allein zurück und befinde mich wieder auf der Lichtung. „Ich hoffe, du hast dieses Mal dafür gesorgt, dass keine unerwünschten Gäste auftauchen.“ Spüre das Pulsieren der Schatten, im selbem Takt mit dem Kristall. Wende mich nicht nach Melaphyr um, ich weiß genau, dass er mich hört und verstanden hat. Schatten schlingen sich um meinen Körper und verleihen mir sowohl noch mehr Kraft als auch ein völlig anderes Aussehen. Mein Kopf erinnert nun an eine Hundeschnauze und mein Oberkörper wirkt mehr wie der eines Mannes. Einfach nur eine flache Brust und ein ordentliches Sixpack. „Denn ich kann keine Unterbrechungen gebrauchen„, knurre ich mit einer verzerrten Stimme, die aus allen Richtungen zu kommen scheint. Brülle wie ein wildes Tier in die Nacht hinein und schicke die Umbras los. Sofort ertönt ein Chor aus Angst und Schmerzensschreien. Wie ich solche Nächte doch liebe. Porte mich direkt in eine kleine Gruppe. Sie alle wenden erschrocken ihre Köpfe um. Was nun folgt, passiert alles in schneller und kurzer Zeit. Reiße dem Vorderen den Kopf ab. Dem Nächsten jage ich meinen Arm durch die Brust. Die „Der Schrei“-Imitation büßt ihren Unterkiefer und ihre Zunge ein. Aus der Drehung heraus packe ich den letzten der Vier und knalle seinen Kopf gegen den Baum zu meiner Linken, bis sein Schädel knackend nachgibt. Keiner von ihnen hatte wirklich Zeit zu reagieren. Weitere werden von den Umbras zerstückelt oder bei lebendigem Leibe gefressen, und der Rest stirbt durch meine Hand. Das Ganze hat keine fünfzehn Minuten gedauert, und schon ist das Einzige, was man in diesem Wald hört, das Fauchen und die reißenden, schmatzenden Geräusche der Umbras, die sich an den Leichen gütlich tun.

Stehe nun vor der Frau, die meine Flügel in ihren Händen hält. Ihr leerer Blick ist direkt auf mich gerichtet. Knie mich vor sie und streiche ihr sanft durch das Haar. Kein Wimmern, Flehen oder Betteln - sie ist nur noch ein leerer, toter Blick. „Wie langweilig.„ Breche ihr das Genick. Ihr Körper sackt bewegungslos zu Boden. Nehme seufzend das Bündel aus ihren toten Händen und wende mich ab. Wie aufs Stichwort taucht Melaphyr auf und klettert auf meine Schulter. „Da hast du dich ja richtig ausgetobt, was?“, gibt der Kobold kichernd von sich und lässt seinen Blick noch einmal über all die Leichen schweifen. Nicke kurz angebunden und bringe uns direkt nach Hause. Wir stehen im Keller, in dem je zwei Türen einander gegenüber sind. Die eine führt zu den „Gästezimmern„, hinter der andern verbirgt sich… allerlei Krimskrams, den ich Melaphyrs Meinung nach brauchen werde… für irgendwelche Rituale und so weiter. Weshalb er hinter eben jener Tür verschwindet und Sekunden später auch wieder herauskommt. Das, was jetzt folgt, wird keineswegs angenehm werden. Setze mich schon in die Mitte des Kreises, der über mir in die Decke eingemeißelt ist. Man weiß ja nie, wann man einen einfachen Zirkel braucht und Kreide - wie auch Farbe - kann verwischen. Vorsichtig öffne ich das kleine Bündel und betrachte die schwarzen Flügel, die zum Vorschein kommen. Sie sind immer noch so klein wie damals. Streiche gedankenverloren über das dunkle Gefieder. Durch die Kralle erinnern die Flügel an die einer Fledermaus, das ist aber auch schon ihre einzige Gemeinsamkeit. „Bist du soweit?“, fragt Melaphyr in einem überraschend mitfühlenden Ton. Ich erwidere, dass ich soweit bin, und übergebe ihm die Flügel. Bekomme von ihm dafür etwas, worauf ich beißen kann und das nicht direkt unter meinen Zähnen nachgibt. Möge der Höllentrip beginnen.


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Hikaru_Mitena

reihe/redbird/redbird_9.txt · Zuletzt geändert: 23.11.2020 08:49 von hikaru_mitena