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reihe:redbird:redbird_6

Kriegsgeflüster

Übersicht - Redbird

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Die letzten Tage waren einfach nur stressig. Da der Zauber, der mein Zuhause verbirgt, gefühlt jeden zweiten oder dritten Tag in sich zusammenfällt. Ich war gezwungen, mehrfach mehrere Schichten dieses Zaubers anzuwenden, weil er der reinste Flickenteppich war und ansonsten einen Scheiß verborgen hätte. Auch gestern ist der Zauber wieder verpufft, langsam geht mir das an die Substanz. Wenigstens haben meine Nachforschungen mich vor zwei Tagen auf die Spur eines gewissen verstoßenen Dämonen geführt. Naja, kann man nichts machen, außer wieder in das Gebiet zu gehen, wo sich dieser Dämon aufhalten soll. Hoffentlich ist er wirklich so gut, was Zauber, Rituale und den ganzen Scheiß betrifft. Das Buch meiner Mutter enthält zwar viele Sprüche, Rituale und so weiter. Aber was ihre Schrift angeht, könnte es genau so gut ein Kleinkind gekritzelt haben. Ich brauche dringend jemanden, der mir das Ganze mal beibringt oder zumindest entziffern kann, was sie da geschrieben hat. Ihn zu überwältigen dürfte etwas Zeit in Anspruch nehmen. Da er aber völlig herrenlos ist, wortwörtlich, sollte ich ihn zu meinem Untergebenen machen können. Hoffen wir, dass dieses Sache mit dem Unterwerfen besser funktioniert als meine Schutzzauber. Blicke mich seufzend im Wald um und beginne, wie die Tage zuvor, die Suche nach dem Kobold.

Verdammt noch mal, wo ist denn dieser wandelnde Meter?! Er sollte doch irgendwo in der Nähe sein, aber es ist niemand zu sehen. Niente. Nihil. Neminem. I kekahi mea. Ole i kekahi. Ich laufe hier schon seit Stunden herum. Als ich hier ankam, ging gerade die Sonne unter, und jetzt sieht man schon jeden Kack-Stern am Himmel leuchten.

Ich bin doch extra mehrfach hergekommen, damit er meine Umbras beobachten kann. Ist er doch nicht hier? Wenn ich diesen Informanten erwische.

Gerade als ich es für heute sein lassen will, bereitet ein verzerrt klingendes Kichern aus den Baumwipfeln meinen Tun ein jähes Ende. Lasse meinen Blick durch das Blätterdach über mir schweifen. Hin und wieder kann ich kurz eine verschwommene Form sehen, die von einem zum anderen Ast springt.

Seufzend beobachte ich das Ganze eine Weile. „Hast du auch was anderes drauf, als dich zu verstecken und anderen auf die Nerven zu gehen?„ Mehr Kichern ist die Resonanz. Kurz darauf zeigt sich der kleine Kobold auf einem der Äste. „Sieh mal einer an. Wen haben wir den da? Ein Mischling. Was könnte der nur von mir wollen?“ Betrachte einen Moment eingehend die Umgebung, als ob sie mir eine passende Antwort geben würde. „Man sagt sich, dass du das ein oder andere über Rituale und Zauber weist. Dinge, die man heute schon als Relikte bezeichnet.„ Langsam legt er den Kopf schief und zupft ein Blatt vom Ast, um es kurz zu mustern. Als ob da wirklich was Relevantes draufstehen würde oder zu erkennen wäre. Schlussendlich meint er dann: „Und du willst… du glaubst, dass ich dir das so einfach alles verrate? Pfff.“ Mit einem spöttischen Blick lacht das Wesen mich aus.

Verdrehe die Augen und schüttele langsam meinen Kopf. „Und was hast du für mich vorbereitet, wenn dir deine Einsamer-Wolf-Nummer so lieb wie teuer ist?„, frage ich die grüne Kreatur leichthin. Sein Grinsen wird breiter und sein Lachen endet in einem Kichern. „Dein Abflug dürfte sich etwas anders gestalten, kleiner Sensling.“ Stutze kurz. Verarbeite das Gesagte. Ich weiß jetzt gerade nicht, ob ich lachen oder enttäuscht sein soll. Hat er mich nicht einmal gesehen, wie ich hierher gekommen und verschwunden bin? Erinnere mich an die letzten Reste meiner Flügel. Warte einige Zeit ruhig, ob er irgendetwas machen wird oder insgesamt noch etwas passiert. Nichts. „Zu schade. Das ist wirklich schade. Denn ich sehe keinen Grund mehr zu bleiben, wenn du nichts weiter drauf hast, als da oben auf dem Baum zu sitzen und große Sprüche zu klopfen.„ Werde dem Kobold keine weitere Beachtung schenken und wende mich zum Gehen. Er lässt es zu und bleibt weiterhin auf dem Ast sitzen. Gedankenverloren wandere ich noch ein Stück durch den Wald, als ein Kichern hinter mir in einem der Bäume mich ablenkt. Er schon wieder. Als ich mich umsehe, bemerke ich, dass ich wieder an dem Platz bin, an dem er sich mir zum ersten Mal gezeigt hat. Aber wie? Ich bin doch-. Unterbreche meinen eigenen Gedankengang und versuche mich nach Hause zu porten, doch nichts geschieht. Das könnte doch noch interessant werden. Noch in der Drehung gebe ich mein menschliches Erscheinungsbild auf. „Du bist wirklich eine kleine Nervensäge, weißt du?!“, knurre ich mit einer immer verzerrter klingenden Stimme.

Einige Stunden später kehre ich nach Hause zurück. Es ist an sich amüsant, wie der Kleine vorgegangen ist. Er hatte mit seinen Runen einen guten Ansatz gehabt, mit deren Hilfe er mich in dieses Waldstück gebannt hat. Doch als er etwas mit seiner übergroßen Form erreichen wollte, welche sehr einer Mischung aus SCP-966 und dem Schüchternen Mann ähnelt, hat er einen Fehler begangen. Ich weiß echt nicht, was er sich dabei gedacht oder erhofft hatte, sich in einem so dicht bewachsenen Gebiet so sehr in seiner Bewegungsmöglichkeit einzuschränken.

Seufzend sperre ich das Haus auf, das 'für eine Person allein einfach viel zu groß ist'. Doch durch das, was ich für die Gelegenheitsaufträge, die ich erledige, bekomme, hab ich es mit der Zeit immer mehr ausgebaut. Weil es mir persönlich zu klein war. Richtung Osten, Süden und Westen ist das vorderste Zimmer im oberen Stock von einer Glasfront eingenommen. Einzig ein Futonbett steht in diesem Raum, wo auch schwere Vorhänge in einer elektrischen Schiene sind, die Fernbedienung für diese liegt auf dem Nachttisch, der mit dem Futonbett verbunden ist. Dort lege ich den Kleinen erst mal auf dem Bett ab und gehe selbst ins Bad, um mir den Dreck vom Körper zu waschen, da ich nicht wirklich große Lust habe, das Haus zu putzen. Denn genialerweise hat es mitten im Kampf angefangen zu regnen. Wie aus Eimern, einfach nur geil! Nicht. Wenn er wieder wach ist, kann er sich dann auch selbst im Bad duschen. „Das wird er ja wohl noch hinbekommen„, murmele ich leise vor mich hin, als ich das Badezimmer betrete.

Kaum stehe ich in der Dusche, ziehen sich die Schatten zurück. In einem stetigen Strom fließt nun das Wasser über meinen Körper. Während ich meinen Kopf dem Strahl entgegenstrecke und meine Augen schließe, nehme ich allmählich wieder meine menschliche Form an. Mein Körper schrumpft so etwa um 30 cm. Als ich meine Augen wieder öffne, sehe ich, wie das Wasser sich unter mir bereits tiefbraun gefärbt hat und langsam immer heller wird.

Etwas später bin ich vor meinem begehbaren Kleiderschrank und suche mir lockere Klamotten heraus. Wobei ich auch gleich mal schauen kann, ob auch etwas für ihn dabei ist, schließlich wird er von nun an öfter in seiner menschlichen Form herumlaufen müssen. Ich kann ja nicht einfach mit irgendeinem Kobold oder - besser gesagt - einem Magersucht-Dämonen-Model im Supermarkt in der Lebensmittelabteilung herumlaufen. Wozu auch, wenn man das Ganze auch ohne großes Aufsehen zu erregen tun kann. Kurz werde ich abgelenkt, als mich der Gedanke erreicht, dass nach mir gefragt wurde. Kaum ist man zuhause, kommt irgendjemand an, der etwas von einem will. Kurzerhand lege ich die Klamotten draußen auf einen kleinen Tisch, der im Gang steht. Schlüpfe in eine schlichte Hose und ziehe mir einen weiten, flauschigen Pullover über den Kopf. Seufzend streiche ich mein noch nasses Haar zurück und gebe meinem Körper den Befehl, mich in die Bar zu versetzen, eine der Außenstellen der Sichelloge.

Werfe dem Barkeeper, der mich herbestellt hat, einen Blick zu. Er nickt nur in die Richtung eines Tischs in der hintersten Ecke der wie üblich gut besuchten Bar. Ein rabenköpfiger Informant, der es wunderbar versteht, eine Statue zu mimen, ein glatzköpfiger Biker und eine Frau mit wasserstoffblondem Haar. Die Tattoos der Frau passen meiner Meinung nach überhaupt nicht zu ihrem restlichen Äußeren. Entspannt setze ich mich zu dem kleinen Grüppchen an den Tisch. „Na sieh mal einer an. Was könnten Mitglieder der Mondloge von mir wollen?“


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Hikaru_Mitena

reihe/redbird/redbird_6.txt · Zuletzt geändert: 23.11.2020 08:48 von hikaru_mitena