reihe:there_aint_no_justice:kapitel_7
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reihe:there_aint_no_justice:kapitel_7 [10.09.2020 07:55] – hikaru_mitena | reihe:there_aint_no_justice:kapitel_7 [04.11.2020 14:15] (aktuell) – hikaru_mitena | ||
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===== Kapitel 7 ===== | ===== Kapitel 7 ===== | ||
- | ener Denkweise. | + | Die Kleingartensiedlung hüllte sich in Finsternis und Schweigen. |
+ | Irina kletterte unbeholfen über den Zaun einer verwilderten Parzelle und tauchte in den tiefen Schatten der Gartenlaube. Ihr Körper litt unaussprechliche Qualen, seit sie geflohen war. Jede Bewegung fiel ihr schwer, sie zitterte vor Kälte, und der Rucksack, der mit Macht an ihr zerrte, schien Rillen in ihre Schultern schneiden zu wollen. | ||
+ | Mit tauben Fingern wühlte sie in den Blumenkästen auf der kleinen Terrasse nach dem Zweitschlüssel für die Laube. Es war keiner da. Sie drehte die Fußmatte um, fühlte in das Innere von Gartenzwergen, | ||
+ | Erleichtert schloss sie die Tür auf. | ||
+ | Endlich irgendwo angekommen, seufzte sie in Gedanken und lud ihr Gepäck direkt hinter der Tür ab. | ||
+ | Heute Morgen hatte sie noch dem Tod ins Auge geblickt, jetzt war sie plötzlich frei. Es schien ihr immer noch unwirklich, geradezu unmöglich, dass sie Nox entkommen war, obwohl die Flucht sich schwieriger gestaltet hatte als erwartet. | ||
+ | Das Niederbrennen der Wohnung war nur der Anfang einer Odyssee gewesen, deren Ende noch nicht absehbar war. | ||
+ | Irina hatte sich auf Nox' Kosten mit allem eingedeckt, was ihr auf Anhieb als nützlich und sinnvoll erschien, um die nächsten Tage durchstehen zu können, doch dafür hatte sie die Anwesenheit fremder Menschen in Kauf nehmen müssen, und das hatte sie mit einer unterschwelligen Nervosität erfüllt, die sich plötzlich in nackte Panik verwandeln konnte. Überall glaubte sie den Killer zu sehen, fremde Gesichter schienen sie mit Nox' eisigem Blick anzustarren. | ||
+ | Umso zufriedener war sie mit sich selbst, diese Hürde gemeistert zu haben. Zu ihrer Ausrüstung zählte nun ein Schlafsack, eine Wolldecke und diverse Lebensmittel. | ||
+ | Nur die Frage nach einem Übernachtungsort war lange ungeklärt geblieben. Ein Frauenhaus war zu offensichtlich und kam deshalb nicht in Frage, ein Obdachlosenheim ebenfalls nicht, denn dort würde man ihr mit großer Wahrscheinlichkeit alle Wertsachen stehlen. | ||
+ | Wenn sie zur Polizei ginge, würde man sie zunächst für die Brandstiftung verhaften. In einer Zelle würde sie quasi auf dem Präsentierteller sitzen, da bräuchte Nox nur noch die Hand nach ihr auszustrecken. | ||
+ | Glücklicherweise hatte sie sich an die Laube erinnert. Der Besitzer war vor einiger Zeit verstorben. Irina hatte die Witwe betreut, die immer wieder von dem Schrebergarten erzählt hatte, mit Tränen in den Augen, weil der Garten die große Leidenschaft der Eheleute gewesen war und die Frau nun allein und altersgebrechlich nicht mehr Lage war, die Parzelle zu betreuen. Von ihr trennen konnte sie sich jedoch auch nicht. | ||
+ | Nach dem Zustand des Grundstücks zu urteilen, kümmerten sich die Kinder der Witwe ebenfalls nicht um den Garten. So war es recht einfach gewesen, die richtige Parzelle zu finden, aber es kam Irina zusätzlich sehr gelegen, weil sie vielleicht zwei, oder drei Tage in der Laube unterschlüpfen und sich Gedanken über ihr weiteres Vorgehen machen konnte, ohne einen überraschenden Besuch der Laubenbesitzer fürchten zu müssen. | ||
+ | Sie kramte ein Teelicht aus dem Rucksack, zündete es an und stellte die zitternde Lichtquelle auf den Boden. Im flackernden Schein der Kerzenflamme schälten sich eine Eckbank mit einem Tisch und drei Stühlen aus der Dunkelheit. Daneben ein Kühlschrank, | ||
+ | Dahinter verbargen sich weitere Möbel in den Schatten. | ||
+ | Nach langem Suchen fand Irina einen Heizlüfter unter der Eckbank. | ||
+ | Der Strom war abgestellt, bis sie im Sicherungskasten die richtigen Hebel umlegte, doch sie nutzte nur die Steckdosen, nicht das Licht, aus Angst, dadurch die Aufmerksamkeit von Passanten auf sich zu ziehen. | ||
+ | Ihr hungriger Magen meldete sich zu Wort, während sie zitternd vor dem Heizlüfter kauerte, der beständig warme Luft in ihre Richtung pustete, aber die Kälte nicht aus ihren Knochen vertreiben konnte. | ||
+ | Wie spät mochte es nun sein? | ||
+ | Draußen stiegen immer wieder verfrühte Raketen in den Himmel, aber der Jahreswechsel hatte noch nicht stattgefunden. | ||
+ | Irina gönnte sich eine kalte Dose Thunfisch. | ||
+ | Danach war ihr schlecht. | ||
+ | Auf der Eckbank rollte sie den Schlafsack aus und schlüpfte in Unterwäsche mit der Wolldecke in das kalte Innere. | ||
+ | Doch der Schlaf kam nicht. Obwohl sie müde war, jeder Muskel schmerzte, sowohl von der wiederholten Folter als auch von den Anstrengungen der Flucht, fand sie keine Ruhe. Nervös wanderte ihr Blick immer wieder zwischen Fenster und Tür hin und her, kämpfte mit der Übelkeit und lauschte auf leise Schritte, die sich der Laube nähern mochten. Oder würde er wieder die harmonische Melodie pfeifen, wenn er sie holen kam? | ||
+ | Plötzlich brach Chaos um sie herum aus. Knallen, Heulen, Lichtblitze, | ||
+ | Die Übelkeit drückte gegen ihr Zwerchfell. Mit fahrigen Bewegungen stolperte sie barfuß aus der Tür, schlotterte augenblicklich in der winterlichen Kälte und übergab sich in einen Blumenkübel, | ||
+ | Elend und völlig durchgefroren schleppte sie sich in die warme Laube zurück. Der Temperaturunterschied war nicht groß, aber doch spürbar. Irina trank einen Schluck Wasser gegen den sauren Geschmack auf der Zunge und sah eine Weile durch das Fenster in den Himmel, betrachtete das bunte Feuerwerk und dachte mit einem Hauch Melancholie daran, dass sie nun zweimal im Jahr Geburtstag feiern konnte, falls sie noch einmal ein ganzes Jahr überleben sollte. | ||
+ | Irgendwann schlich sich der Schlaf unbemerkt in ihre Gedanken, und sie döste halb sitzend auf der Eckbank ein. | ||
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+ | Etwa zur gleichen Zeit kletterte Nox durch ein geborstenes Fenster in die ausgebrannte Wohnung seiner Klientin. Der Wind pfiff kalt durch die verkohlten Räume und trug die Geräusche des Feuerwerks mit sich, wie eine Erinnerung an die Feuersbrunst, | ||
+ | Der Besuch galt seinem zurückgelassenen Besitz. | ||
+ | Im Wohnzimmer fand er den verkohlten, unförmig geschmolzenen Rest seiner Sporttasche. Für einen Laien hätte es einfach wie ein andersfarbiger Brandfleck im Muster des versengten Bodens ausgesehen. Doch sein geschulter Blick erkannte, dass Irina die Sporttasche ausgekippt und einen Teil des Inhalts über den Boden verteilt hatte. Ehemalige Kunststoffröhrchen hatten sich in das Laminat gefressen, während sie geschmolzen waren. Nox zählte bei weitem nicht so viele Medikamentenverpackungen, | ||
+ | Das war der Hauptgrund seines Besuches. Wenn Irina den Laptop mitgenommen hatte, würde er sie schneller wiederfinden, | ||
+ | Er musste also nur abwarten. Irina würde früher oder später ihren Aufenthaltsort von ganz allein verraten. Er lächelte böse. | ||
+ | In der Zwischenzeit konnte er sich in das Kameranetzwerk öffentlicher Orte hacken. Er verfügte über ein illegales Programm, das in der Lage war, Gesichter auf Überwachungskameras zu identifizieren. | ||
+ | Sollte sie mit einem Zug geflohen sein, würde er es herausfinden. | ||
+ | Sollte sie zur Polizei gegangen sein, würde er sie aufspüren. | ||
+ | Sollte sie irgendwo in dieser Stadt ein Geschäft betreten haben, dann würde er es bald wissen. | ||
+ | Doch nebenbei wollte er ihr unmissverständlich klar machen, dass es keinen Sinn hatte, vor ihm davonzulaufen, | ||
+ | Er würde sie so lange quälen, bis sie freiwillig ihr Versteck verließ, weil ihr Leben so grausam geworden war, dass sie den Tod als Erlösung betrachtete. Sie sollte ihn anflehen, endlich sterben zu dürfen. | ||
+ | Nox verließ die Wohnung auf demselben Weg, wie er sie betreten hatte. Auf der Straße bewegte er sich unbehelligt durch die feiernden Anwohner, die unermüdlich Raketen in den schwarzen Himmel jagten. Ein stiller Passant, der wie ein Schatten zwischen ihren Reihen hindurch glitt, schnell und leise. | ||
+ | Der Killer schmunzelte sardonisch, als er die Straßenecke erreichte und in einen schwarzen Vito einstieg. | ||
+ | Die Nacht war noch jung, und er hatte eine Botschaft zu überbringen. | ||
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+ | Irina erwachte mit höllischen Rückenschmerzen. | ||
+ | Draußen herrschte tiefe, undurchdringliche Dunkelheit. | ||
+ | Die gekrümmte Haltung, in der sie eingeschlafen war, rächte sich in Form eines verspannten Rückens. | ||
+ | Als hätte sie nicht schon genug Schmerzen gehabt. | ||
+ | Sie rieb sich die verklebten Augen, offenbar hatte sie im Schlaf geweint, doch sie erinnerte sich nicht daran, etwas geträumt zu haben. | ||
+ | Gleichzeitig wurde ihr wieder übel, und sie schaffte es nur knapp vor die Tür, bevor sie sich erneut übergab, doch dieses Mal spuckte sie nur bittere Galle. Das pelzige Gefühl auf der Zunge bereitete ihr gleich neuerliches Unbehagen und sie würgte eine Weile, ohne dass irgendetwas dabei heraus kam. | ||
+ | Durchgefroren und elend tappte sie zurück in die Laube. | ||
+ | Hinter dem Kühlschrank befand sich eine kleine Arbeitsfläche. | ||
+ | Irina entdeckte einen altmodischen, | ||
+ | Dafür fand sie ein verstaubtes Paket Beuteltee in einer Schublade. | ||
+ | Pfefferminztee gehörte zwar nicht zu ihren Favoriten, doch nach dem Erbrechen schien es ihr eine magenfreundliche Alternative zu sein. | ||
+ | Eine andere Sorte stand ohnehin nicht zur Auswahl. | ||
+ | Wehmütig dachte sie an ihren eigenen Tee, der ein Raub der Flammen geworden war, während das Wasser unsagbar langsam zu kochen begann. | ||
+ | Ob sie den Laptop des Killers einmal ausprobieren sollte? | ||
+ | Irina baute das Gerät auf dem Tisch auf und klappte den Bildschirm hoch. Ihr Finger schwebte über dem Einschaltknopf, | ||
+ | Was für einen Sinn hatte es auch? | ||
+ | Der Rechner würde zweifelsfrei passwortgeschützt sein, und sie war sich sicher, dass sie es nicht erraten würde. Wer wusste schon, welche Sicherheitsvorkehrungen Nox sonst noch eingebaut hatte. | ||
+ | In den Spionagefilmen explodierten die Geräte, wenn man ein falsches Passwort eingab. | ||
+ | Sie seufzte. War das wieder ihre Paranoia? | ||
+ | Wie auch immer, es hatte keinen Sinn, das Gerät einzuschalten und auf den nutzlos blinkenden Cursor zu starren. Dadurch wurde sie auch nicht schlauer. Irina ließ die Hand sinken und starrte auf den dunklen Bildschirm. | ||
+ | Er schien aus unsichtbaren Augen, Nox‘ Augen, zurückzustarren. Entnervt klappte sie den Laptop wieder zu und verstaute das Objekt ihrer Abneigung im Rucksack, damit sie das Gerät nicht mehr sehen musste. | ||
+ | Was der Killer wohl gerade trieb? | ||
+ | Welchen Plan heckte er aus, um sie zu finden? | ||
+ | Dann wurde ihr bewusst, dass das Wasser schon eine ganze Weile vor sich hin kochte und sie das Geräusch einfach ausgeblendet hatte. | ||
+ | Der Pfefferminztee schmeckte schal, offenbar staubte das Paket schon länger vor sich hin, und das Aroma der Teebeutel verflog allmählich. | ||
+ | Es war ihr gleich, denn die Wärme, die sich in ihrer Körpermitte ausbreitete, | ||
+ | Die latente Übelkeit wich einem erträglichen Unwohlsein. | ||
+ | Das war mehr als akzeptabel, unter diesen Umständen. | ||
+ | Sie schlürfte noch eine zweite Tasse, bevor sie sich den wichtigen Gedanken zuwandte. | ||
+ | In der Laube konnte sie nicht ewig bleiben. Sie brauchte ein dauerhaftes Versteck, eines, das mit nichts und niemandem aus ihrer Vergangenheit in Verbindung gebracht werden konnte, sodass Nox sie nicht finden würde. Doch ohne Hilfe kam sie auch nicht aus. Sie konnte sich nicht gleichzeitig verstecken und ein normales Leben weiterführen, | ||
+ | Der Killer würde sie finden, irgendwann, das war so sicher, wie das Amen in der Kirche. | ||
+ | Es musste ein Ort sein, an dem sie verborgen, aber gleichzeitig in der Obhut von Leuten war, denen sie vertrauen konnte. | ||
+ | Es gab nur eine Möglichkeit, | ||
+ | Irina würde sich nur in einem Kloster angemessen vor dem Killer verstecken können. Einerseits gab es so viele Klöster, die als Versteck in Frage kamen, dass Nox Schwierigkeiten haben würde, das richtige ausfindig zu machen, wenn sie ihre Wahl gut traf. Andererseits war es heikel, einen „Back-to-the-roots“-Weg einzuschlagen, | ||
+ | Während ihrer Ausbildung zur Seelsorgerin hatte Irina mehrere Monate in einem Kloster gelebt und sich caritativen Aufgaben gewidmet. Aber damals war sie auch noch naiv und unschuldig gewesen, damals war ihr Glaube noch intakt gewesen. Jetzt fühlte sie sich seelisch verstümmelt und unfähig zu glauben. Doch eine Alternative wollte ihr einfach nicht einfallen. | ||
+ | Wenn sie diesen Weg einschlug, dann musste sie sehr vorsichtig und mit Verstand wählen. Es durfte keines der Klöster sein, mit denen sie in der Vergangenheit in Kontakt gekommen war. Wie sollte sie unter dieser Einschränkung und ohne mediale Unterstützung eines auswählen? | ||
+ | Vor ihrem inneren Auge entstand eine Karte, auf der sie alle Klöster abhakte, die nicht in Frage kamen. Dann rief sie sich alle Ordensschwestern in Erinnerung, mit denen sie jemals gesprochen hatte. Wie gut mochte Nox sein? Wie weit reichte sein Arm, um in ihrer Vergangenheit zu wühlen? Es gab tatsächlich zwei Orden, die möglicherweise in Frage kamen. Die „Missionsschwestern des heiligen Kindes“ und die „barmherzigen Schwestern der heiligen Mutter“. | ||
+ | Letztere waren Irina durch einen frühsommerlichen Zeitungsartikel bekannt, in dem von der Neueröffnung eines Seniorenwohnheims die Rede gewesen war, das der Orden betreute. Damals hatte sie mit Anita die Eröffnungsfeier besuchen wollen, doch die Arbeit war dazwischengekommen. Der Gedanke an Anita schmerzte fürchterlich. Irina schob ihn mühsam beiseite. Die Freundin in Lebensgefahr zu bringen, nur um einmal gedrückt zu werden und Hoffnung zu tanken, nein, das war es nicht wert. Sie musste sich von Anita fernhalten. | ||
+ | Irina zwang ihre Gedanken zurück zum Thema. | ||
+ | Da blieben noch die „Missionsschwestern“, | ||
+ | Elende Paranoia! | ||
+ | Sie musste es versuchen. | ||
+ | Über die „barmherzigen Schwestern“ fand sie keine weiteren Details in ihrem Gedächtnis, | ||
+ | Mit etwas Glück konnte ihr die Verbindung zu der ehemaligen Kommilitonin sogar hilfreich sein, um in den Orden aufgenommen zu werden. | ||
+ | Außerdem erinnerte sie sich an den Namen des Ortes, wo das Kloster zu finden war. Das Kaff war so klein, dass sie es nur bis dort schaffen musste. Danach konnte sie sich bei den Einheimischen durchfragen. | ||
+ | Das nächste Problem, über das sie nun nachdenken musste, war die Anreise. | ||
+ | Sie zählte das verbliebene Geld und ihr schwindelte angesichts der Summe: 3879,40 Euro. | ||
+ | Nox musste rasend vor Zorn sein, darüber, dass Irina ihm schätzungsweise 4000 Euro entwendet hatte. Ihr wurde wieder schlecht, doch sie kämpfte gegen die Übelkeit an. Der Gedanke, schon wieder vor die Tür zu müssen, war plötzlich verbunden mit der Angst, von irgendwem gesehen zu werden. | ||
+ | Die gestohlenen Medikamente halfen ihr auch nicht weiter. Der Großteil bestand aus Präparaten, | ||
+ | Welches Verkehrsmittel sollte sie wählen? | ||
+ | Ein Taxi wäre unscheinbar, | ||
+ | Also doch lieber mit dem Zug fahren? | ||
+ | Panik kroch in ihr hoch, bei dem Gedanken an die Menschenmassen, | ||
+ | Aber vielleicht wäre sie dort sicherer, in einer großen anonymen Menge, wenn sie ihre Angst kontrollieren konnte. | ||
+ | Es half nichts, sie konnte nicht ewig in der Laube bleiben. Möglicherweise hatte ein Passant längst ihre Anwesenheit hier bemerkt und die Polizei gerufen. Dann wäre sie dem Killer in Kürze völlig ausgeliefert. | ||
+ | Irina mahnte sich in Gedanken zur Ruhe und durchdachte alles noch einmal von vorn. Der Tag verstrich unbemerkt, und sie wälzte immer noch Ideen und Fluchtpläne, | ||
+ | Schließlich machte sie es sich noch einmal auf der Eckbank bequem und beschloss, den Orden aufzusuchen. Sie versuchte zu schlafen, doch gestaltlose Albträume weckten sie weit vor Ablauf der Nacht. | ||
+ | Müde und verspannt kroch sie aus dem Schlafsack, kochte sich einen letzten Pfefferminztee auf Kosten der Laubenbesitzer und sammelte in sich die Überzeugung, | ||
+ | Mit dem Rest lauwarmen Wassers versuchte sie sich grob zu waschen, doch die fettigen, strähnigen Haare ließen sich nicht mehr ansehnlich herrichten, und so war sie froh, dass ihre Jacke eine Kapuze hatte. | ||
+ | Dann packte sie eilig ihre Sachen, bevor sie es sich noch einmal anders überlegte. | ||
+ | Irina verließ die Laube so, wie sie sie vorgefunden hatte und machte sich zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof, obwohl sie damit rechnete, dass der Killer es irgendwie herausfinden und ihr auflauern würde. | ||
+ | Es war noch dunkel, die Dämmerung würde noch einige Stunden auf sich warten lassen. Doch die Straßen waren schon vereinzelt belebt. Pendler machten sich auf den Weg zur Arbeit. Die Anwesenheit fremder Menschen erfüllte Irina, wie erwartet, mit Nervosität. | ||
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+ | Nox blickte angestrengt auf den Bildschirm seines Rechners. Es war kein Ersatz für den verlorenen Laptop, sondern ein Tower-PC, der in seiner Unterkunft stand. Von hier aus hatte er vor Monaten Irinas Wohnung überwacht, bis er selbst in Aktion getreten war. | ||
+ | Jetzt überwachte er Kameras, die öffentliche Gebäude filmten. | ||
+ | Seit mehr als 24 Stunden dauerte seine Wache bereits an, aber er fühlte keine Müdigkeit. Der Zorn brannte noch immer mit unverminderter Wut in ihm, hielt ihn wach und schärfte seine Aufmerksamkeit, | ||
+ | Nirgendwo war viel Betrieb, die meisten Menschen, die sich so früh am zweiten Tag des neuen Jahres herumtrieben, | ||
+ | Die kleinen Gestalten, die die Kameras in den Lichtkegeln der Straßenbeleuchtung einfingen, zogen unter Nox‘ wachsamen Augen ihrer Wege, bis sein Blick an einer Gestalt hängen blieb, die seine Aufmerksamkeit erregte. Die Statur wirkte vertraut, der Gang war schleppend, wie unter Schmerzen, die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, als fürchtete die Person erkannt zu werden, und sie trug zu viel Gepäck bei sich, um auf dem Weg zur Arbeit zu sein. | ||
+ | Kein Zweifel, er hatte Irina gefunden. | ||
+ | Im selben Moment fing eine andere Kamera ihr Gesicht ein, und das Programm meldete Übereinstimmung. | ||
+ | Mit fliegenden Fingern brachte der Killer die nächsten Zugverbindungen in Erfahrung und musste unwillkürlich grinsen. Der früheste Zug fuhr erst in einer halben Stunde, er konnte sie gleich zu Beginn ihrer Reise erwischen. In Gedanken strich er einige Tage Recherche über den Zielort, offenbar hatte er sie überschätzt. | ||
+ | Der Killer nahm sich gerade genug Zeit, um sich zu vergewissern, | ||
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+ | Irina kämpfte gegen eine Panikattacke. Der nächste Zug fuhr erst in einer halben Stunde und die Wartezeit für die optimale Verbindung war sogar doppelt so lang. | ||
+ | Verdammter Mist! | ||
+ | Nox musste längst auf dem Weg sein. | ||
+ | Sie wusste einfach, dass es so war. | ||
+ | Was sollte sie tun? | ||
+ | Den ersten Zug nehmen, auch wenn dieser in die falsche Richtung fuhr, um die Wartezeit zu verkürzen, in der Hoffnung, dass der Killer zu spät kam? Er würde sicher damit rechnen, dass sie den erstbesten Zug nehmen wollte. | ||
+ | Also wäre es schlauer, sich irgendwo zu verstecken und in einer Stunde mit der vorgeschlagenen Verbindung zu fahren. Mit ein wenig Glück herrschte dann schon mehr Betrieb am Bahnhof, und sie konnte sich in der Menge besser verstecken. Es war riskant, aber die Alternative, | ||
+ | Irina zahlte das Ticket und steuerte die sanitären Anlagen an. Hoffentlich warf man sie dort nicht raus, wenn sie versuchte, eine ganze Stunde im Sanifair-Bereich zu verbringen. | ||
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+ | Nox betrat mit wehendem Mantel die Eingangshalle. Er glaubte einen Hauch von Irinas Duft wahrzunehmen, | ||
+ | Wo war sie danach hingegangen? | ||
+ | Die Eingangshalle mündete in einen langen Tunnel, von dem aus Treppen rechts und links zu den Gleisen führten. Geschäfte drängten sich im hinteren Teil der Eingangshalle und etwa bis zur Hälfte in den Tunnel. | ||
+ | Nox kontrollierte zwei Zeitschriftenläden und mehrere Bäckereien. Fehlanzeige. | ||
+ | Blieben nur noch die sanitären Anlagen. | ||
+ | Der Eingang befand sich am Ende der Eingangshalle, | ||
+ | Der Hygienebereich präsentierte sich sauber und leer. | ||
+ | Ein gelangweilter Angestellter putzte träge und missmutig die Armaturen. | ||
+ | Aus den Lautsprechern drang Vogelgezwitscher mit esoterischer Musik, und der Killer glaubte wieder einen Hauch von Irinas Duft wahrzunehmen, | ||
+ | Nox trat an ein Pissoir heran und erleichterte sich. Aus dem Augenwinkel überwachte er den Eingangsbereich. | ||
+ | Wenn sie den ersten Zug nehmen wollte, musste sie bald zum Gleis gehen. Er spülte und wusch sich ausgiebig die Hände, um ein wenig Zeit zu schinden. | ||
+ | War es möglich, dass sie mit einem späteren Zug fahren wollte? | ||
+ | Nox verließ die sanitären Anlagen und legte sich in der Nähe des Eingangs auf die Lauer. | ||
+ | Der Bahnhof füllte sich allmählich mit Reisenden, die mit zerknitterten Gesichtern zu den verschiedenen Gleisen eilten. | ||
+ | Es waren immer noch hauptsächlich Berufspendler. | ||
+ | Nox wartete. | ||
+ | Mehrere Zugverbindungen verstrichen, | ||
+ | Sein Instinkt sagte ihm, dass er hier richtig war. | ||
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+ | Irina verließ die Kabine, in der sie sich versteckt hatte, mogelte sich mit einem schlechten Gewissen an dem Angestellten vorbei, weil sie kein Trinkgeld in der Tasche hatte, und näherte sich ängstlich dem Drehkreuz. Mit den Augen suchte sie die hochgewachsene Gestalt des Killers in der anschwellenden Menge der Berufspendler. Sie fand ihn nicht, doch sie war überzeugt davon, dass er hier war. Der Gast, der sich vorhin erleichtert hatte, konnte nur Nox gewesen sein, so geräuschlos und fließend, wie er sich bewegt hatte. | ||
+ | Er lauerte irgendwo, bereit zuzuschlagen, | ||
+ | Sie hatte nur noch wenige Minuten Zeit, um ihren Zug zu erwischen. | ||
+ | Langsam zitterten ihr die Knie, ein flaues Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus, verursacht durch die nervöse Anspannung. | ||
+ | Plötzlich strömte von einem Gleis in der Nähe eine Menschenmasse in das Bahnhofsgebäude, | ||
+ | Das musste ihre Chance sein. Dem Killer konnte es nicht anders gehen. Im Schutz der Masse trat sie auf den breiten Gang hinaus, tauchte in den Strom der Umsteiger, die weiter in den Tunnel und zu den anderen Gleisen hasteten, ließ sich mitschleifen, | ||
+ | Immer wieder suchte sie hinter sich nach dem asketischen Gesicht des Killers. Beinahe wäre sie mit ihm zusammengestoßen, | ||
+ | Nicht so, nicht auf diese Weise, flehte eine hysterische Stimme in ihren Gedanken. Ihr Blick wanderte hektisch durch den Tunnel, auf der Suche nach einem Fluchtweg. Sie wäre zu langsam, um ihm einfach so davonzurennen. | ||
+ | Nox schenkte ihr ein messerscharfes Lächeln: „Sie haben keine Chance, es ist vorbei.“ | ||
+ | Irina schüttelte trotzig den Kopf: „Niemals, ich werde niemals aufgeben.“ | ||
+ | Ein Mann drängte sich zwischen die beiden ungleichen Kontrahenten und unterbrach den Blickkontakt, | ||
+ | Irina bleich vor Angst, Nox blass vor Wut. Seine Hand drückte den Türöffner, | ||
+ | Dann setzte sich der Zug in Bewegung und unterbrach das schreckliche Zwiegespräch. | ||
+ | „Fuck. Das war knapp, viel zu knapp!“ | ||
+ | Sollte sie ein anderes Kloster aussuchen? Der Killer kannte ihre Zugverbindung. Nein, das war unmöglich. Sie würde zweimal umsteigen müssen und das konnte er einfach nicht wissen. Oder hatte er ihr im Tunnel einen Peilsender angeheftet? Panisch kontrollierte sie ihr Gepäck und zog sogar die Jacke aus, um den Stoff zu prüfen. | ||
+ | Da war nichts. | ||
+ | Ob er insgeheim damit gerechnet hatte, dass sie aufgeben würde, wenn sie ihn sah? | ||
+ | Was würde er jetzt unternehmen, | ||
+ | Ein Zischen, die Tür des hinteren Waggonteils ging auf. Irina fuhr erschrocken zusammen, rechnete halb damit, dass der Killer sich doch noch irgendwie Zutritt verschafft hatte, aber vor ihr stand der Schaffner und sah missbilligend auf sie herab. | ||
+ | „Fahrkarte bitte“, sagte er schroff. | ||
+ | Irina blinzelte verwirrt, bis ihr dämmerte, dass der Bahnangestellte sie für eine Obdachlose halten musste, so verwahrlost, | ||
+ | Der Schaffner prüfte es einen Deut länger als üblich. | ||
+ | „Hier im Durchgang können Sie aber nicht sitzen bleiben. Suchen Sie sich einen Platz“, fügte er noch hinzu und verschwand im angrenzenden Waggon. | ||
+ | Noch immer verstört von dem Schreck rappelte Irina sich auf und quetschte sich mit ihrem Krempel durch die Tür in den hinteren Teil des Zuges, den der Schaffner bereits kontrolliert hatte. | ||
+ | Gleich neben der Tür war eine Sitznische frei und sie nahm sie in Besitz. | ||
+ | Der Blick aus dem Fenster fiel auf ein trostloses Einerlei aus braunen Feldern und kahlen Büschen, unter einem bleiernen, mit Wolken verhangenen Himmel. Irina fühlte sich so, wie das Wetter sich präsentierte. Es schien, als wolle die Natur ihre Solidarität bekunden, indem sie möglichst trist aussah. | ||
+ | Ein mattes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. | ||
+ | Sie war Nox erneut entkommen, aber der Sieg erfüllte sie nicht mit Triumpf, sondern mit kaltem Grauen. Seine Rache würde schrecklich sein, dessen war sie sich sicher. | ||
+ | In der Sitznische neben ihr raschelte ein Fahrgast geschäftig mit seiner Tageszeitung. Irina warf einen neugierigen Blick auf die Schlagzeilen, | ||
+ | Was mochte sie alles verpasst haben, in den letzten Monaten? | ||
+ | „Obszöne Grabschändung auf dem katholischen West-Friedhof: | ||
+ | Steckt eine okkulte Gruppierung dahinter? | ||
+ | Irinas Herz begann wild zu klopfen. Warum machte dieser Artikel sie so nervös? „Entschuldigung, | ||
+ | Der Fahrgast, ein Geschäftsmann in Anzug und Krawatte, blickte erstaunt auf, doch bei Irinas Anblick verdüsterte sich seine Mine. | ||
+ | Peinlich berührt und ein wenig verärgert, fügte sie hinzu: „Ich bin nicht obdachlos, ich hatte einen“, sie stockte kurz, „privaten Zwischenfall und bin länger unterwegs als geplant.“ | ||
+ | Dem Geschäftsmann schien die Rechtfertigung gleichgültig zu sein, er reichte ihr wortlos die halbe Zeitung und behielt nur den Börsenteil für sich, den er aufmerksam studierte. | ||
+ | Irina las mit wachsender Furcht den Artikel: | ||
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+ | Obszöne Grabschändung auf dem katholischen West-Friedhof: | ||
+ | Steckt eine okkulte Gruppierung dahinter? | ||
+ | In der Nacht vom 31.12. auf den 1.1. ereignete sich ein bisher bundesweit beispielloser Fall von Grabschändung. Friedhofbesucher entdeckten das frevelhafte Werk am Neujahrsfeiertag und alarmierten schockiert die Polizei. | ||
+ | „So etwas hat es noch nicht gegeben“, sagte der leitende Ermittler Siel, des vierköpfigen Sonderermittlungsteams, | ||
+ | Weshalb niemand das auffällige Feuer bemerkt hat, ist noch ungeklärt. Die Friedhofsangestellten und Anwohner werden in den kommenden Tagen als Zeugen befragt. Die Polizei vermutet, dass der, oder die Täter ungestört blieben, weil die Tatzeit mit dem Jahreswechsel zusammenfiel, | ||
+ | „Wir ermitteln in alle Richtungen“, | ||
+ | Ob die Tatsache, dass es sich bei dem Tieropfer um eine weiße Taube handelte, eine Rolle für den Verdacht auf okkulte Aktivitäten spielt, wurde von der Polizei nicht kommentiert. Ebenso gab es kein Statement zu dem Verdacht, dass ein Zusammenhang zwischen der Tat und der Wahl des geschändeten Grabes bestehen könnte, welches als letzte Ruhestätte eines Mordopfers identifiziert werden konnte. | ||
+ | Über den genauen Tathergang hat die Polizei keine Einzelheiten bekanntgegeben, | ||
+ | Die Angehörigen des geschändeten Grabes standen für ein Interview, auf Anraten der Polizei, nicht zur Verfügung, doch scheint die ehemalige Verlobte des Opfers seit einem Brand in ihrer Wohnung vermisst zu werden. Auch zu diesem Sachverhalt hüllt sich die Polizei derzeit in eisiges Schweigen. | ||
+ | Die Redaktion der „Regional-Nachrichten“ wird diesen Fall weiter verfolgen. | ||
+ | |||
+ | Die Zeitung in Irinas Händen zitterte. Sie las den Artikel erneut, dann ein drittes und noch ein viertes Mal. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Da war sie, die Rache für ihre Flucht. Eine Warnung und ein Versprechen zugleich. Wenn sie sich ihm weiterhin widersetzte, | ||
+ | Ein bitterer Geschmack sammelte sich unter ihrer Zunge, aus dem flauen Gefühl wurde Übelkeit. Irina legte die Zeitung weg und sah aus dem Fenster, konzentrierte sich auf einen weit entfernten Punkt am dunstigen Horizont, zählte die brachliegenden Felder und spärlichen Straßen, bis ihr Magen sich beruhigte. | ||
+ | Der Geschäftsmann stieg wenig später aus, ohne seine Zeitung zurückzuverlangen. Irina war nicht sicher, ob sie dankbar oder verärgert sein sollte, dass er ihr die Hiobsbotschaft nicht weggenommen hatte. Immer wieder wanderte ihr Blick zu der Überschrift. Die schwarzen Lettern starrten böswillig zurück. Sie warf die Zeitung auf einen anderen Sitzplatz, doch sie konnte sich nicht von dem Artikel befreien. Schließlich stopfte sie die einzelne Zeitungsseite in den Rucksack. Dort war sie nicht mehr zu sehen, doch das Wissen um ihre Existenz beschäftigte weiterhin ihre Gedanken. | ||
+ | Der Rest der Fahrt verlief dafür ereignislos. | ||
+ | Während der Umsteigezeiten glaubte Irina den Verstand zu verlieren. Das Gefühl, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden, machte sie wahnsinnig. | ||
+ | Danach folgten wieder enervierend lange Zugfahrten, in denen sie sich eingesperrt und gefangen fühlte, wie eine Ratte in der Falle. Erst als sie ihren Zielort erreichte und als einziger Fahrgast den Zug verließ, legte sich die Anspannung ein wenig. | ||
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+ | Nox parkte den Vito vor einem gesichtslosen Studentenwohnheim. | ||
+ | Der Tag neigte sich schon wieder dem Ende entgegen. Die Eingangsbeleuchtung glomm auf, tauchte das meterlange Klingelbrett mit annähernd 500 Klingelknöpfen und Zimmernummern anstelle von Namensschildern in gelbe Schlieren, konnte aber sonst nicht viel ausrichten. | ||
+ | Nox machte es sich hinteren Teil des Vitos bequem. Eine Mini-Kamera filmte aus dem Beifahrerfenster den Eingang, sodass der Killer sich parallel um andere Vorbereitungen kümmern konnte. | ||
+ | Kalte Wut beherrschte seine Gedanken, Irina war ihm erneut entwischt. | ||
+ | Doch unter all dem Ärger regte sich noch etwas anderes. Er konnte sich nicht erinnern, jemals einen Menschen getroffen zu haben, der ihm so lange widerstanden hatte, und das erfüllte ihn mit einer Mischung aus sardonischer Freude und dem Wunsch, diesen Zustand beizubehalten, | ||
+ | Doch zunächst musste er sich mit einem anderen Klienten befassen, denn seine Anwesenheit hier begründete sich in dem Freundschaftsdienst, | ||
+ | Name, Adresse und Personenbeschreibung hatte dieser dem Killer im Laufe des Tages zukommen lassen, und Nox wollte die Angelegenheit so schnell und sauber wie möglich über die Bühne bringen. Jetzt, wo sein Ruf angekratzt war, konnte er sich keine weiteren Beschwerden leisten. | ||
+ | Eine junge Studentin verließ das Haus. | ||
+ | Der Klient ließ auf sich warten. | ||
+ | Nox fasste sich in Geduld. | ||
+ | Mit fortschreitender Dämmerung verlor die Welt an Farbe und hüllte sich in diffuses Grau. | ||
+ | Schließlich näherte sich ein junger Mann, vom Parkplatz aus, dem Eingang. Braune Rastas, Röhrenjeans, | ||
+ | Nox verließ seinen Posten und berechnete die Zeit, die er zum Abschließen des Wagens und den Weg zum Eingang bräuchte, um genau einen Augenblick nach dem Studenten an der Tür einzutreffen, | ||
+ | „Guten Abend.“ | ||
+ | „Ebenfalls.“ | ||
+ | Der Student wandte sich ab und steuerte den Fahrstuhl an. | ||
+ | Nox folgte ihm und wartete schweigend, bis sich die winzige Kabine öffnete und sein Klient eingestiegen war, bevor er sich anschloss. | ||
+ | Als die Türen mit einem schabenden Geräusch aufeinander zu glitten, drehte Nox dem jungen Mann den Rücken zu und verwandelte den Fahrstuhl in eine Mausefalle. Die breite Statur des Killers füllte die winzige Kabine fast vollständig aus, das Unbehagen des Studenten schien mit Händen greifbar zu sein. | ||
+ | „Sie haben ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau“, ergriff er das Wort. Er hörte, wie der junge Mann hinter ihm zusammen zuckte. | ||
+ | „Was haben Sie gesagt? | ||
+ | „Haben Sie mir nicht zugehört? Wie unhöflich von Ihnen“, ein drohender Unterton mischte sich in die Stimme des Killers. | ||
+ | „Doch, doch, aber ich-“, stammelte der Student. Kleidung raschelte, Nox wusste, dass der junge Mann sich unbewusst in die hinterste Ecke quetschte. | ||
+ | „Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will Sie nicht verurteilen. Es ist lediglich so, dass der Gatte ihrer Affäre Wert darauf legt, den Status quo zu erhalten“, | ||
+ | „Sie verstehen doch sicher, was es bedeutet, den Status quo zu erhalten. Sie werden brav den Liebhaber spielen, aber mehr auch nicht. Kommen Sie bloß nicht auf den Gedanken, dem Ehemann würde Ihr Engagement missfallen, im Gegenteil, er weiß durchaus zu schätzen, dass Sie seine Gattin-“, er machte eine kurze, spöttische Pause, „-beglücken.“ | ||
+ | Der Student starrte ihn kreidebleich an, er räusperte sich, fand aber nicht die richtigen Worte. Nox fuhr fort: „Ihr Vorgänger beging den Fehler, einen Heiratsantrag auszusprechen. Ich bin sicher, Ihnen wird dieser Fehler nicht unterlaufen.“ | ||
+ | Ein heller Gong ertönte, gefolgt von dem schabenden Geräusch der Türen. Der Killer rührte sich jedoch nicht, sein eisiger Blick ruhte weiterhin auf dem jungen Mann, der langsam zu schrumpfen schien. | ||
+ | „Wiederholen Sie meine Worte, damit ich mir sicher sein kann, dass wir uns verstanden haben und ein zweiter Besuch meinerseits nicht nötig wird“, verlangte er. | ||
+ | „Sie haben gesagt, also-“, der Student räusperte sich erneut, „Ich soll den Status quo erhalten, meine Affäre weiterführen, | ||
+ | Nox schenkte ihm ein raubtierhaftes Grinsen und gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, der den jungen Mann fast zu Boden warf. | ||
+ | „Na bitte, Sie sind doch ein schlaues Kerlchen“, | ||
+ | Nox verließ die winzige Fahrstuhlkabine. Während er sich entfernte, hörte er, wie der Student im Fahrstuhl an der Wand herunterrutschte, | ||
+ | Kaum hatte der Killer den Vito erreicht, da klingelte sein Smartphone. | ||
+ | Verärgert starrte er auf die Nummer. | ||
+ | Warum rief der Kontakt von dieser Nummer aus an? | ||
+ | Das war völlig unangemessen. „Was willst du?“, blaffte er. | ||
+ | Ein amüsiertes Geräusch kam von der anderen Seite. | ||
+ | „So emotional kenne ich dich ja gar nicht. Die Kleine muss dir ja mächtig ans Herz gewachsen sein, wenn sie dich so weit bringt.“ | ||
+ | „Rufst du extra von deiner privaten Nummer an, um Salz in die Wunde zu streuen, oder hast du Neuigkeiten? | ||
+ | „Beides, mein Lieber: Ich fürchte, unser Geschäftspartner hat die Schweigeklausel verletzt, nachdem du deine Arbeit nicht erledigt hast.“ Die Schadenfreude tropfte kalt aus dem Lautsprecher. | ||
+ | Nox knirschte mit den Zähnen, doch überrascht war er nicht. | ||
+ | „Wie schlimm ist es?“, wollte er wissen. | ||
+ | „Sagen wir, die ganze Szene wartet darauf, ob die Nummer Eins bald eine Null ist.“ | ||
+ | „So leicht bin ich nicht zu besiegen. Das hier wird das erste und einzige Mal sein, dass ein Auftrag nicht ganz nach Plan verläuft“, | ||
+ | „Das hoffe ich, weil ich auf dich gewettet habe. Übrigens liegen mir bereits mehrere Angebote von Leuten vor, die sich schon als deine Nachfolger betrachten.“ | ||
+ | „Du solltest dich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, sonst verlierst du das Gleichgewicht“, | ||
+ | Der Kontakt mochte gleichzeitig sein Partner sein, aber Nox wusste, dass sein „Mann im Hintergrund“ sich auch abgrundtief vor ihm fürchtete. | ||
+ | Wenn selbst dieser rückgratlose Bückling den Respekt vor ihm verlor, dann entwickelte sich tatsächlich ein Problem aus der Angelegenheit. | ||
+ | Aber zunächst stand Irina auf der Liste der Dinge, die es zu erledigen galt. Danach blieb noch genug Zeit, um seine Firma wieder ins Lot zu bringen. Vielleicht sollte er die Stelle des Kontaktes neu ausschreiben, | ||
+ | Er verschob den Gedanken auf einen späteren Zeitpunkt. | ||
+ | Jetzt musste er sich wieder um Irina kümmern. | ||
+ | Die Grabschändung war nur der Auftakt zu einer Reihe von „persönlichen Besuchen“, | ||
+ | Das Navi lotste Nox zu seinem neuen Ziel. Der einzige Parkplatz lag einige Meter entfernt von dem Haus, das er beobachten wollte. Hier parkten alle Autos am Straßenrand und eine vorteilhafte Parkbucht war nicht frei. | ||
+ | Nox nahm sich drei Tage Zeit, um die Lage auszukundschaften, | ||
+ | In der vierten Nacht wurde er schließlich aktiv. | ||
+ | Mit einem Dietrich öffnete er die Tür so schnell und geräuschlos, | ||
+ | Zielsicher fand er das Schlafzimmer. | ||
+ | Eine Weile betrachtete er die Frau, die nichtsahnend im Bett lag und schlief, während der Tod bereits an ihrem Fußende lauerte. | ||
+ | Bei diesem Gedanken schlich sich ein messerscharfes Lächeln auf Nox‘ Lippen. Er würde es genießen, sich abreagieren, | ||
+ | Menschen, die sich in der Tiefschlafphase befanden, waren so wehrlos. | ||
+ | Er hatte keine Schwierigkeiten, | ||
+ | Er schaltete das Licht ein und wartete geduldig, bis sie sich müde geschrien hatte, bevor er das Wort ergriff: „Verzeihen Sie bitte, dass ich Ihnen so spät in der Nacht noch Umstände bereite. Zu Ihrem Unglück sind sie eine ehemalige Arbeitskollegin und Freundin von Irina. Eigentlich sollte sie seit einiger Zeit verstorben sein, doch sie weigert sich, mir diesen kleinen Gefallen zu tun. Aus diesem Grund brauche ich nun Ihre Hilfe“, er ließ einen wohl überlegten Augenblick verstreichen, | ||
+ | Dann zog er geräuschvoll den Reißverschluss des Etuis auf und präsentierte seiner verschreckten Beute ein glänzendes Chirurgenbesteck und einige Spritzen: „Ich werde Sie gleich aufschneiden, | ||
+ | „Vielleicht sollten Sie noch wissen, dass es mir ein Vergnügen ist, Ihnen Schmerzen zuzufügen. Sie werden hoffentlich lange genug am Leben bleiben, damit ich mich angemessen amüsieren kann. Werden Sie mir diesen Gefallen tun?“ | ||
+ | Es hätte dieser Worte nicht mehr bedurft, um die Frau in Panik zu versetzen. Sie kniff die Augen zusammen, warf den Kopf von einer Seite auf die andere, zerrte an den Fesseln und schrie aus Leibeskräften. | ||
+ | Der Knebel dämpfte alles auf Zimmerlautstärke. | ||
+ | „Ich habe doch noch gar nicht angefangen“, | ||
+ | Das Nachthemd der Frau zerriss mit einem scharfen Laut. Darunter präsentierte sich ein üppiger Busen, aber für die anatomischen Vorzüge der Weiblichkeit hatte der Killer heute keinen Blick. Das flehende Kopfschütteln und die Tränen seines Opfers ignorierte Nox ebenso. Mit kalter Präzision setzte er den ersten Schnitt neben dem Brustbein an. | ||
+ | Blut quoll dunkel aus der klaffenden Wunde, rann über die helle Haut und besudelte das Bett. Das Messer glitt präzise am Sternum entlang, bis zum Schwertfortsatz. | ||
+ | Die Frau zuckte und wand sich, der Körper unter dem Messer bäumte sich immer wieder auf, aber der Killer empfand dies nicht als störend. Er lauschte versonnen den gedämpften Schreien, die jetzt eine neue Qualität angenommen hatten. Unbeschreiblicher Schmerz mischte sich in die Todesangst. Ein süßer Klang, der ihn mit Erregung erfüllte. Plötzlich verstummte die Frau und verdrehte die verheulten Augen, sodass nur noch das Weiße sichtbar war. | ||
+ | Enttäuscht legte er das Messer zur Seite und blickte auf. Es wäre bedauerlich, | ||
+ | Der Killer injizierte ihr den Inhalt einer Spritze in die Halsschlagader. Augenblicklich war sie wieder da, starrte ihn aus tränenden Augen flehend an und weinte hemmungslos in den Knebel. | ||
+ | „Sie wollen mich doch nicht etwa schon verlassen? | ||
+ | Mit übereinandergelegten Handflächen und dem ganzen Gewicht seines Oberkörpers drückte er mehrmals brachial den Brustkorb der Frau ein. | ||
+ | Es war die groteske Parodie einer Herz- Druck- Massage. | ||
+ | Das Fleisch unter ihm wimmerte und gurgelte, noch mehr Blut sprudelte zwischen seinen behandschuhten Fingern hervor, dann rissen die Rippen nacheinander mit einem trockenen Knacken vom spröden Knorpel des Brustbeins ab. | ||
+ | Erneut verlor die Frau das Bewusstsein. Ihr Gesicht war schon leichenblass geworden und mit dem Ausdruck größter Qualen eingefroren. | ||
+ | Nox bedauerte den schnellen Tod. | ||
+ | Irina hätte sicher länger durchhalten. | ||
+ | Der Killer arretierte einen Wundspreizer in dem klaffenden Schnitt, wählte ein Chirurgenmesser mit gerader Klinge, und legte mit fachmännischer Präzision das Herz frei, trennte die großen Blutgefäße durch und löste es aus dem umgebenden Gewebe heraus. | ||
+ | Das Organ wanderte in einen Gefrierbeutel. | ||
+ | Nox streifte die blutverschmierten Handschuhe ab und zog ein frisches Paar über, um seine Spuren zu verwischen. | ||
+ | Dieser Besuch war eine wenig befriedigende Angelegenheit gewesen, er hatte sich mehr Vergnügen davon erhofft. Es machte eben doch einen Unterschied, | ||
+ | Er ließ die Wohnungstür offen stehen, als er ging, damit man die Leiche so schnell wie möglich fand. Irina sollte nicht allzu lange warten müssen, bis sie aus den Medien von seiner Tat erfuhr. Sein nächstes Ziel würde hoffentlich interessanter werden. Immerhin stand es seit der Grabschändung unter Polizeischutz. | ||
+ | Der Killer sah eine einmalige Gelegenheit, | ||
+ | Behutsam, geradezu liebevoll sortierte der Killer die neue Trophäe zu der ersten, die in einem winzigen Kühlschrank im hinteren Bereich des Vitos auf ihren Auftritt wartete. Er war nicht ohne Grund die Nummer Eins in der Szene, und er würde es beweisen. | ||
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+ | ~ | ||
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+ | Der dröhnende Klang der Kirchenglocken riss Irina aus einem finsteren Albtraum, Nox‘ Stimme klang noch in ihren Ohren und forderte: „Schrei für mich, kleiner Schmetterling!“, | ||
+ | Einen Moment lang fehlte ihr die Orientierung. | ||
+ | Zum Fenster drang nur der silbrige Schimmer einer schmalen Mondsichel herein, kaum genug, um die Einrichtung zu erahnen. | ||
+ | Ein Schrank, ein Tisch, ein winziges Waschbecken ohne Spiegel, ein Stuhl mit einem ordentlichen Kleiderstapel. | ||
+ | Dann stürmten die vergangenen Tage auf sie ein. | ||
+ | Sie war im Kloster angekommen und hatte ein Zimmer im Gästehaus erhalten. Es war Zeit für die Laudes, das Gebet am frühen Morgen. | ||
+ | Irina schwang die Beine aus dem Bett, rieb sich den Schlafsand aus den Augen und knipste das Licht an. | ||
+ | Ihr Körper erholte sich langsam von den Verletzungen. Die Schmerzen waren abgeklungen, | ||
+ | Traurig fuhr sie mit den Fingern über die Narben auf ihrem Bauch. | ||
+ | Die erste Folter hatte den meisten Schaden angerichtet, | ||
+ | Ihr Magen meldete sich mit Übelkeit, wie jeden Morgen, seit sie geflohen war. Sie stolperte barfuß zu dem winzigen Waschbecken und übergab sich kurz, aber heftig. Während ihr Verstand eifrig die Erinnerung verdrängte, | ||
+ | Irina schob den Gedanken beiseite und schaufelte sich mehrere Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht und putzte die Zähne. Danach fühlte sie sich besser, angelte nach dem obersten Kleidungsstück auf dem Stuhl und bedeckte die stummen Zeugen der Vergangenheit mit der Schwesterntracht. | ||
+ | Auf dem Gang begegnete sie anderen Gästen, die am „Kloster auf Zeit“-Programm teilnahmen. Ältere Frauen, die einen spirituellen Urlaub darin sahen, aber auch Theologiestudentinnen, | ||
+ | Der Orden erlaubte seinen Gästen ein Minimum an Besitz und täglicher Freizeit, um eine Möglichkeit zu bieten, sich kreativ zu entfalten. Irina kam dies entgegen, weil sie den Laptop nicht hatte abgeben müssen. Das Gerät wartete zusammen mit ihren anderen Habseligkeiten im Schrank, sicher verstaut im Rucksack, auf den Tag, an dem sie eine Idee hätte, wie sie das Passwort umgehen oder erraten könnte. | ||
+ | So lange musste sie ihre Fragen hintanstellen. | ||
+ | Die Morgenandacht mit dem Gotteslob kam und ging. | ||
+ | Irina bewegte die Lippen, hörte ihre Stimme singen, aber ihre Gedanken blieben leer und düster. Gott war kein Teil mehr ihres Lebens, und er würde es auch nie wieder werden können. | ||
+ | Das anschließende Frühstück verlief schweigend. Die Kantine war groß genug, um 50 Schwestern und etwa 20 Gästen Platz zu bieten, aber die ehemalige Kommilitonin hatte Irina nicht wieder getroffen. | ||
+ | Die Mahlzeit war kärglich, es gab Brot oder Haferflockenschleim, | ||
+ | So bestand der einzige Luxus aus einem Löffel Honig an Sonn- und Feiertagen, der entweder auf das Brot geschmiert, oder in die Haferflocken gerührt werden konnte. | ||
+ | Gelegentliches Geschirrgeklapper und das Rascheln von Kleidung erfüllten den Raum. Selbst mit Geräuschen wurde hier sparsam umgegangen. Irina empfand dies als angenehm. Das viele Schweigen verhinderte, | ||
+ | Der Vormittag verging mit Gartenarbeit. | ||
+ | Das Kloster finanzierte sich über den Verkauf von Kräutern, die auf dem weitläufigen Gelände gezüchtet wurden. | ||
+ | Irinas Aufgabenbereich erstreckte sich auf den Gemüsegarten, | ||
+ | Es läutete zur Mittagshore, | ||
+ | Sie fühlte, wie die körperliche Arbeit ihre Gedanken in freundlichere Bahnen lenkte. Jedes Mal, wenn sie ihren Fortschritt betrachtete, | ||
+ | Wieder riefen die Glocken, dieses Mal zur Vesper und zum Abendbrot. | ||
+ | Der Arbeitstag war damit beendet. | ||
+ | Jetzt durften Gäste und Ordensmitglieder ihren Hobbys nachgehen, bis um Mitternacht die Glocken erneut zum Vigil, zum Nachtgebet, riefen. Geschlafen wurde zwischen Vigil und Laudes, etwa fünf Stunden jede Nacht. | ||
+ | So plätscherten die Tage gleichförmig vor sich hin, reihten sich zu Wochen, wie identische Perlen an einer Schnur, die keinerlei Unregelmäßigkeiten aufwiesen. | ||
+ | Irina besuchte in ihrer Freizeit die Bibliothek. | ||
+ | Natürlich lag das Hauptaugenmerk auf dem religiösen Kontext, doch es gab auch eine gut sortierte Klassiker-Sammlung, | ||
+ | Nacheinander nahm sie sich die einzelnen Vertreter der Literatur vor. | ||
+ | Lesen war eine Beschäftigung, | ||
Ohne dass es ihr bewusst wurde, fügte sich ihr Weltbild neu zusammen, kittete die zerbrochenen Teile und nahm eine neue Gestalt an. | Ohne dass es ihr bewusst wurde, fügte sich ihr Weltbild neu zusammen, kittete die zerbrochenen Teile und nahm eine neue Gestalt an. | ||
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reihe/there_aint_no_justice/kapitel_7.1599724552.txt.gz · Zuletzt geändert: 10.09.2020 07:55 von hikaru_mitena